Wieviel Transporttalent bringt der Fiat Talento mit? Wir testen den Kastenwagen mit 145 PS starkem Dieselmotor.
Der zusammen mit dem PSA-Konzern entwickelte Scudo ist Vergangenheit. Seinen Platz nimmt nun der etwas größere Talento ein. Spätestens auf den zweiten Blick entpuppt sich der Italiener aber trotz des rassigen Frontdesigns erneut als versteckter Franzose. Diesmal entstammt die Technik aber nicht Peugeot und Co. – vielmehr ist der Talento ein Cousin ersten Grades des Renault Trafic. Damit teilt er sich überdies die Basis mit dem Nissan NV300.
Entertainment ist nicht mehr taufrisch
Dass der Trafic kein ganz taufrischer Geselle mehr ist, zeigt sich auch beim Fiat am Entertainment-System. Ja, es tut was es soll. Allerdings ist die Bedienung nicht immer logisch. Zudem fehlt ein Drehrad, um die Lautstärke schnell zu verstellen. Das funktioniert nämlich nur per Taste mit entsprechend groben Sprüngen. Da hilft auch der nun wirklich aus der Zeit gefallene kantige Bediensatellit am Lenkrad nicht weiter – auch das ein Relikt aus guten alten Renault Zeiten. Der Sound der Anlage ist dafür, vor allem für ein eher zweckmäßiges Nutzfahrzeug wirklich gut. Damit besteht der Talento auf langen einsamen Kurierfahrten genauso wie bei heruntergelassenen Scheiben vor der Eisdiele in Bella Italia.
Glücklicherweise kommt der Testwagen nicht mit der scheppernden und wenig hochwertigen Keycard. Fiat hätte allerdings ein wenig mehr italienischen Lifestyle über den regulären Zündschlüssel kippen können. Der wirkt nämlich ganz und gar schmucklos, selbst das gefällige Fiat Logo fehlt.
Schwächen bei der Ergonomie
Auch die Ergonomie am Fahrerarbeitsplatz überzeugt nicht ganz. Die Konsole um den Schalthebel drückt ihr Hartplastik genau auf Kniehöhe in Richtung Fahrer, unangenehm auf langen Strecken. Dazu kommt, dass die Sicht aus der Kabine ziemlich eingeschränkt ist. Nach vorne bringt dies schon die Form der Schnauze mit sich. Zur Beifahrerseite hin leidet der Talento an einem ziemlich üppigen toten Winkel. Darin hätte locker ein Fiat Punto Platz. In der Sonnenblende des Beifahrers ist zur besseren Übersicht ein Weitwinkelspiegel eingelassen. An sich ist er relativ wellig, das Bild also nicht sonnenklar. Dazu kommt seine Position weit oben. Der Fahrer muss seinen Blick erheben, weg von der Straße. Beim Parken mag das noch funktionieren, spätestens beim Überholen auf der Autobahn zeigt sich, dass der Zusatzspiegel vor allem gut gemeint ist. Schade ist, dass Fiat es zu Gunsten der Optik bei den kompakten Originalspiegeln belässt. Schließlich haben die Italiener vorbildliche Spiegel für ihren Ducato im Angebot. Die würden dem Talento gut tun. Die schicke Optik wäre dann aber, zugegeben, dahin. Zumindest beim Rückwärtsfahren versöhnt die Rückfahrkamera auf visueller Seite.
Das Beste ist der Motor
Eine Pracht ist der Antrieb des Talento. Mit der Topmotorisierung – 145 PS, 340 Nm – ist der Francoitaliener anständig ausgestattet. Im niedrigen Drehzahlbereich fehlt es zwar an Mumm, das zahlt dafür aber in die Traktion ein. Auch die Antriebseinflüsse in der Lenkung halten sich in Grenzen. Ab etwa 1.800 Umdrehungen steht dann ordentlich Kraft zur Verfügung. So zieht er im höchsten Gang ab 100 km/h sauber durch. So viel Temperament hat allerdings seinen Preis. Die sehr optimistische Werksangabe von 6,1 Litern Diesel verpasst er deutlich. Auf der Verbrauchsrunde genehmigt sich der Talento knapp 8,7 Liter.
Das Handling hinterlässt gemischte Gefühle. Geradeaus wirkt der Talento etwas schwammig. Dafür zirkelt er umso straffer durch Kurven. Das ESP ist sehr gut abgestimmt. Nach einem Eingriff lässt es den Motor sofort wieder frei durchatmen, ohne dem Fahrer eine Gedenksekunde aufzuzwingen.
Praktische Detaillösungen - so muss es sein
Dazu überzeugt der Fiat sowohl vorne als auch im Laderaum mit interessanten Detaillösungen, die seinen Nutzern das Leben leichter machen. Dass sich die Doppelsitzbank aufklappen lässt und üppigen Stauraum offenbart, ist schon fast selbstredend. Wer nun aber den Mittelsitz nach vorne klappt, bekommt nicht nur einen zusätzlichen Cupholder samt großflächiger Ablage, sondern kann überdies ein praktisches Klemmbrett ausklipsen. Im Laderaum fasst ein Fach entweder diverse Kleinigkeiten, oder eben zu lange Ladung. Die Zugangsklappe bleibt dank Magnetverschluss offen.
Mit einem Einstandspreis von 28.130 Euro netto mit dem großen Triebwerk und 6,0 Kubikmetern Laderaum samt der SX-Ausstattung mit Klima und mobilem Büro bietet der Fiat recht viel fürs Geld und muss sich weder vor den Brüdern von Nissan und Renault, noch vor den ehemaligen Bündnispartnern aus Scudo-Zeiten verstecken.