Fahrzeug-Emissionen Beim Diesel raucht’s gewaltig

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Die schlechte Nachricht: Diesel-Pkw sind im Alltag noch gesundheitsschädlicher als gedacht.
Die gute Nachricht: Es gibt Alternativen. Fuhrparkleiter sollten sie nutzen.

Auch die neuesten Diesel stoßen jüngsten Berechnungen zufolge massiv mehr Stickoxide (NOx) aus als bisher bekannt. Ein Euro-5-Pkw sei mit durchschnittlich realen 906 Milligramm NOx pro Kilometer sogar dreckiger als ein Euro-3-Pkw mit 803 Milligramm, rechnet das Uweltbundesamt (UBA) vor. Ein modernes Euro-6-Fahrzeug bringe es auf enorme 507 Milligramm Stickoxide pro Kilometer, der Grenzwert liegt bei 80 Milligramm. Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer rät Fuhrpark­leitern deshalb zur Vorsicht. Und zum Umstieg auf saubere Antriebe.

Bislang ist man in Deutschland für 2016 von einem durchschnittlichen Flottenwert von 575 Milligramm Stickoxid­emissionen pro Kilometer ausgegangen. Diese Zahl müsse auf 767 Milligramm erhöht werden, so das UBA. Während zuvor bei günstigen Außentemperaturen von 20 Grad bis 30 Grad gemessen wurde, habe man jetzt realistische Werte bei betriebswarmem Motor angesetzt. Die Hälfte der Pkw-Fahrleistung werde in Deutschland  bei Temperaturen unter zehn Grad erbracht, so die Experten. Und an kalten Tagen gingen die problematischen Werte drastisch nach oben

Die Autohersteller sollen Euro-5-Diesel auf eigene Kosten nachrüsten

Stickoxide werden für Atemwegs- und chronische Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch für vor­zeitige Todesfälle verantwortlich gemacht. UBA-Präsidentin Maria Krautzberger sieht die Autoindustrie in der Verantwortung. Sie müsse eine Nachrüstlösung anbieten, "welche die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht belastet". Bundes­umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) verlangt ähnliches:  "Es muss klar sein, dass die Hersteller die kompletten Kosten tragen und dem Halter keine Nachteile entstehen dürfen." Für welche Modelle die beiden Damen eine Nachrüstlösung fordern, ließen sie offen. Man kann aber davon ausgehen, dass sie die vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge meinen. Hendricks jedenfalls forderte Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) auf, die Industrie stärker in die Pflicht zu nehmen.

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Die Menschen in Stuttgart leiden besonders unter der Feinstaubbelastung.

Aber obwohl problematische Messungen und Gesundheitsgefährdung hinlänglich bekannt sind, blockiert die Bundesregierung laut Süddeutscher ­Zeitung schärfere Kontrollen der Hersteller in Europa. Überdies würden Vorschläge der EU-Kommission verschleppt, welche härteren Strafen für die Autobauer vorsehen. Brüssel wollte künftig bis zu 30.000 Euro an Geldbußen verhängen und ein Modell auch vom Markt nehmen können. In seinem verschärften Ecotest hatte der ADAC kürzlich festgestellt, dass die eingesetzten Abgassysteme der meisten Benzin- und Dieselmodelle "nicht auf dem Stand des technisch Machbaren" seien. Neue Euro-6-Pkw hätten teilweise sogar höhere Emissionswerte als diejenigen der Klasse Euro 5.

Erdgasautos sind sehr viel sauberer

In der Schweiz ist die Forschungseinrichtung Empa zu »beunruhigenden« Ergebnissen gekommen. So sei bei Messungen von Diesel-Pkw mit dem neuen RDE-Verfahren festgestellt worden, dass beispielsweise ein Renault Mégane Grandtour 1.5dCi des Modelljahrs 2016 pro Kilometer 1.300 Milligramm Stickoxide ausstieß. "Dieses aktuelle Euro-6-Fahrzeug emittiert in etwa gleich viel wie ein zehn bis 15 Jahre alter Diesel", so die Empa. Weil Euro-6b-Fahrzeuge bis zum Herbst 2019 weiter als Neu­wagen verkauft werden dürfen, empfehlen die Schweizer Forscher allen, die bereits vorher sauberer fahren möchten: "Entweder bereits jetzt beim Kauf eines Neuwagens fragen, ob er Euro 6c entspricht. Oder ein Erdgasfahrzeug kaufen." Ein ebenfalls vermessenes Gasauto sei mit Stickoxidemissionen von unter zehn Milligramm pro Kilometer 60- bis 140-mal sauberer unterwegs als die gemessenen Diesel.

Das Diesel-Barometer der Deutschen Automobil Treuhand GmbH (DAT) konnte trotzdem keine gravierenden Einbrüche beim Verkauf von gebrauchten Diesel-Pkw feststellen. Der Handel spüre aber die Verunsicherung der Verbraucher "anhand gestiegener Standtage und leicht nachlassender Preise", erläutert die DAT.

Experte Dudenhöffer, Direktor des Center of Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen, hat sich seine Meinung längst gebildet und empfiehlt allen Flottenbetreibern: "Fuhrparkleiter sollten versuchen, auf Benziner, Hybride und soweit es geht, auf batterieelektrische Fahrzeuge umzusteigen."

Diesel-Fahrverbote - Nachrüsten als Hintertür

Wenn die Automobilhersteller Euro-5-Diesel nicht nachrüsten, wird Stuttgart bei schlechter Luft  ab 2018 ein befristetes Fahrverbot für Diesel verhängen. Euro-6-Fahrzeuge werden ausgespart. Aus Gesundheitsgründen seien Beschränkungen unerlässlich, so Verkehrs­minister Winfried Hermann (Grüne) – "es sei denn, der Fahrzeugindustrie gelingt es, diese Autos so wirkungsvoll nachzurüsten, dass die Grenzwerte eingehalten werden". Die Euro-5-Fahrzeuge machen knapp 40 Prozent des Dieselbestandes aus. Gelingt das Vorhaben, könnte es Signalwirkung haben, denn Hamburg hat bereits angekündigt, Hauptverkehrsadern zu sperren. Stuttgart hat nun das Fahrverbot genauer definiert. Bei Feinstaubalarm sind etliche Zufahrtsstraßen für ältere Diesel gesperrt, sodass Auswärtige nicht in die Innenstadt fahren können. Befindet sich ein Euro-5-Diesel aber bereits in der Innenstadt, darf er auch bei Feinstaubalarm fahren. Er darf nur die gesperrten Straßenabschnitte nicht passieren

3 Fragen an Prof. Ferdinand Dudenhöffer

Ferdinand Dudenhöffer ist Professor an der Universität Duisburg-Essen in Duisburg und leitet dort das Fachgebiet Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Automobilwirtschaft. Gleichzeitig ist er Gründer und Direktor des CAR - Center Automotive Research an der Universität Duisburg-Essen.

Bekommen Fuhrparkleiter mit ihren Dieselfahrzeugen Probleme?

Fast 95 Prozent der modernen Euro-6-Diesel haben im
realen Fahrbetrieb katastrophale NOx-Werte. Damit sind auch die neuen Diesel-Pkw bei Fahrverboten in Gefahr.

Gibt es weitere kritische Punkte?

Unternehmen mit zu starker Dieselflotte setzen sich dem Problem aus, die Umweltakzeptanz ihres Unternehmens aufs Spiel zu setzen. Kein Unternehmen sollte riskieren, dass es mit als Verursacher von gesundheitlichen Schäden der Menschen in Ballungszentren angesehen wird. Die Ein­sparungen bei den Treibstoffkosten lohnen dieses hohe Risiko nicht.

Was empfehlen Sie?

Fuhrparkverantwortliche und Controller müssen ihre Firmenwagenregelung prüfen und notfalls ändern. Je zügiger der Umstieg auf Elektroautos, desto sicherer der Fuhrpark.