Firmenauto INTERVIEW/Experte: Nur Vertrauen unter Banken kann Finanzkrise stoppen

FRANKFURT (dpa-AFX) - Für die europäische Finanzbranche ist nach Ansicht eines Bankenexperten im aktuellen Strudel der Kreditkrise die Rückgewinnung von Vertrauen der absolute Knackpunkt. "Geld über die Notenbanken in den Markt zu pumpen, ist nicht die alleinige Lösung. Es wird von den Banken absorbiert, aber untereinander nicht mehr weiter gegeben", sagte der Leiter des Finance Departments der European Business School (EBS), Rolf Tilmes, am Montag der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Aktionen wie die brancheninterne Hilfsaktion für die angeschlagene Hypo Real Estate (HRE)<HRX.ETR> mit staatlicher Bürgschaft seien ein wichtiges Signal. "Bei uns lässt man keine Bank vor die Wand laufen, weil es dann direkt zu einer Systemkrise kommen würde."

Alle Banken, die hohe Verbindlichkeiten und in letzter Zeit große Ausgaben hatten, würden jetzt kritisch unter die Lupe genommen. "Das größte Problem ist aber die Intensität von Ausschlägen an den Märkten. Dagegen gibt es im Moment kein Standardrezept", betonte der Experte. Nach Bekanntwerden der Probleme der HRE waren am Montag die Aktien aller Finanztitel eingebrochen - vor allem die Papiere der Commerzbank mit einem Minus von zeitweise 26 Prozent.

Aufsicht, EZB und Banken müssten sich kontinuierlich treffen, damit alle Seiten bereits im Vorfeld über Risiken und Probleme informiert sind. "Es darf in der jetzigen Krisensituation keine bösen Überraschungen geben." Zudem plädiere er klar für eine Zinssenkung, um der Realwirtschaft zu signalisieren, dass es keine Kreditverknappung geben wird. "Die Chance, die Krise im Bankenbereich zu halten, wird zunehmend schwieriger." Den Vorschlag von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), dass Banken künftig bei Verbriefung bis zu 20 Prozent des Risikos in den eigenen Büchern halten müssen, hält Tilmes für fragwürdig. "Diese Rasenmähervariante ist der falsche Ansatz."

Wichtig für das Gewinnen von Vertrauen sei in diesen turbulenten Zeiten auch, den Bank-Kunden immer wieder deutlich zu machen, dass ihre Einlagen sicher sind. "Das muss man den Leuten klar machen, um zu verhindern, dass sie Kunden ihr Geld in Panik abheben wie zuletzt in den USA", betonte der Inhaber des Stiftungslehrstuhls für Private Finance und Wealth Management. Die Einlagen seien eine wichtige Refinanzierungsquelle für die Institute.

Zudem hält Tilmes das in Grundzügen feststehende Rettungspaket in den USA für dringend notwendig. "Durch den Aufkauf der Risiken wird der Generalverdacht, dass jede Bank ohne Einlagengeschäft tot ist, nivelliert." Ob es allerdings grundsätzlich richtig sei, auf eine komplette Deregulierung mit dem anderen Extrem einer Verstaatlichung zu reagieren, sei eine andere Frage. "Aber im Moment sind die Signale wichtiger."