Kam die erste Generation des Volvo V60 noch recht rund daher, setzt die neue Ausgabe wieder mehr auf Kante. So will Volvo mit frischem Design und praktischen Talenten der starken deutschen Konkurrenz einheizen.
Der klassische Volvo Kombi hat eine klare Form: wie mit dem Fallbeil geschnittene gerade Bleche, die Heckklappe für maximale Ikea-Tauglichkeit steil abfallend. Über 20 Jahre prägte allein der Volvo 240 dieses Bild, mehr als eine Million Exemplare verkauften die Schweden. Kein Wunder, dass selbst heute noch der eine oder andere 240er aus dickem Schwedenstahl dem Verfall trotzt und auf deutschen Straßen umherrollt.
Mit Einführung des V60 weichten die Schweden diese Linie auf und sprangen auf den Lifestyle-Zug mit weichen Formen und flottem Heck auf. Damit vergraulten die Strategen sicher den einen oder anderen Traditionalisten, gleichzeitig haben aber auch immer mehr Dienstwagenfahrer die schicken Autos auf dem Schirm. Fast 40 Prozent der Volvo-Neuzulassungen entfallen in Deutschland inzwischen auf Firmenfuhrparks.
Der seit Sommer erhältliche zweite V60 vereint die alte Sachlichkeit mit modernem Design. Natürlich erinnert zuerst vieles an den schon länger erhältlichen V90. Immerhin basieren beide Autos auf der gleichen Plattform. Aber auch wenn die Tagfahrleuchten hier wie da ein liegendes T formen und die Heckleuchten bei beiden aufrecht stehen: Nur der 18 Zentimeter kürzere V60 hat die typische steile Heckscheibe.
Koffferraum fast so groß wie im V90
Deswegen fällt sein Gepäckraum mit 529 Litern nur unmerklich kleiner als beim größeren Bruder. Bei umgelegten Sitzen und dachhoher Beladung werden es gar 1.441 Liter. Gegenüber den Fabelwerten eines VW Passat klingt das bescheiden, doch ist die nutzbare Fläche nicht viel kleiner. 1,13 Meter breite Gegenstände passen zwischen die Radkästen, das sind immerhin 13 Zentimeter mehr als beim Wolfsburger Pendant. Zudem lassen sich die Rücksitzlehnen für 380 Euro Aufpreis elegant per Fernentriegelung umlegen. Die dann über 1,80 Meter lange Ladefläche möchte man am liebsten nur mit feinen Koffern beladen, so nobel wirkt die Stoffauskleidung.
Gar zu schwer sollte das Gepäck aber nicht sein: Nur knapp 400 Kilogramm darf man einladen. Da die solide modulare Plattform auch große SUV tragen muss, geriet sie etwas schwer. Rund 1,8 Tonnen bringt der V60 leer auf die Waage, das ist mehr als die Konkurrenz. Die besondere Solidität will Volvo natürlich als Sicherheitsaspekt verstanden wissen, und der V60 schneidet bei Crashtests wirklich überdurchschnittlich gut ab. Das liegt auch an den vielen schon serienmäßig verbauten Fahrassistenten. Ein Notbremssystem ist inzwischen in der Mittelklasse selbstverständlich. Zusätzlich hält der Volvo serienmäßig die Spur und lenkt aktiv gegen, wenn das Auto in Gegenverkehr oder Botanik abzudriften droht. Für 1.470 Euro extra ergänzen Totwinkelassistent, Querverkehrswarnung und Abstandsautomatik den Schutz. Außerdem bremst sich der V60 automatisch fest und blinkt mit den Bremsleuchten, wenn ein Heckaufprall droht.
So weit soll es aber möglichst nie kommen. Und da viele Unfälle durch Ablenkung passieren, sollte ein Auto möglichst leicht zu bedienen sein. Wer schon in einem aktuellen Volvo saß, wird sich auch im V60 zurechtfinden. Die Instrumente sind immer digital, und stets zeigt ein großer Touchscreen die wichtigsten Infos in der Mittelkonsole an. Letzterer hat aber ein gewaltiges Ablenkungspotenzial: Zwar sind alle Funktionen logisch integriert, doch sobald der Fahrer etwas verstellen will, wandert sein Blick weit nach unten und damit weg von der Straße. Einfacher wäre es, wenn das Multifunktionslenkrad mehr Aufgaben übernehmen könnte.
Ist alles nach Wunsch eingestellt, zeigt das gegen 1.000 Euro teure Head-up-Display in Augenhöhe, dass sich Volvo sehr wohl Gedanken über die Blickrichtung des Fahrers gemacht hat.
Bei Pausen schweift der Blick dann doch weg von der Fahrbahn hin zum Innenraum. Richtig schick sieht alles aus. Feine Aluzierleisten schmücken die Armaturentafel, alles sitzt fest und gut verarbeitet an seinem Platz. Viel Raum haben hinten sitzende Kollegen, in alle Richtungen gibt es genügend Bewegungsfreiheit. Für einen unverstellten Blick gen Himmel empfiehlt sich das Panoramadach für 1.220 Euro. Und weil wir gerade bei der Verglasung sind: Für die weite Reise empfiehlt sich die windgeräuschdämmende Akustikverglasung für 830 Euro. Ohne sie zischelt es ab Tempo 160 leicht um die A-Säulen, was auch auffällt, weil der V60 sonst ein recht leises Auto ist.
Vom Vierzylinder-Diesel hört man nicht viel, er verrichtet seine Arbeit unauffällig und selbst in der Basisvariante mit 150 PS ausreichend kraftvoll. Die Sechsgangschaltung ist präzise und leichtgängig, besser ist bei einem Langstreckenfahrzeug die zuvorkommende Achtstufenautomatik für 1.850 Euro. Dazu passt auch der kommode Federungskomfort, der am besten mit 17-Zoll-Felgen zur Geltung kommt. Bei größeren Rädern rumpelt der V60 wenig galant über Schachtdeckel. Auch sonst sind die großen Breitreifen überflüssig. Sportlich will der Volvo eh nicht sein. Schnelle Kurven durcheilt er grundsätzlich zwar sicher, doch Unebenheiten im Kurvenverlauf bringen die Hinterachse mit Querblattfeder schon auch mal aus dem Tritt. Mit den adaptiven Dämpfern für 760 Euro verbessert sich dieses Verhalten, einen Sportler machen aber auch sie nicht aus dem Kombi. Das ist aber auch gar nicht nötig. Vielmehr überzeugt der V60 mit gutem Reisekomfort und noblem Ambiente. Und für den Wochenendausflug in den Möbelladen taugt er nebenbei auch noch, selbst ohne die klaren Kanten seiner Vorfahren.
Nur noch Vierzylindermotoren
Wie in allen aktuellen Volvo-Modellen gibt es auch im V60 keinen Motor mit mehr als vier Zylindern. Allen Varianten gemein ist ein Zylindervolumen von 500 Kubikzentimetern, sodass sowohl Diesel als auch Benziner mit zwei Liter Hubraum und Turboaufladung ausgerüstet sind. Anders als etwa im XC40 bietet Volvo in der Mittelklasse noch keine Dreizylinder an. Unter 200 PS gibt es so nur zwei Diesel zur Auswahl, wobei schon die Basisversion mit dem 1,8-Tonnen-Kombi gut zurechtkommt.
Die Diesel kommen serienmäßig mit einer Sechsgangschaltung. Sie lässt sich auf kurzen Wegen schalten, sperrt sich aber gegen allzu schnelle Gangwechsel. Empfehlenswert ist die Achstufenautomatik, die treffsicher und schnell stets den passenden Gang parat hat. Sie kostet 1.850 Euro Aufpreis, die beiden Benziner gibt es nur mit ihr. Wer längere Strecken fährt, ist mit den Dieselmotoren besser beraten. Die Benziner brauchen im Alltag wegen des hohen Gewichts deutlich mehr Sprit, zudem passt ihr eher sportlicher Charakter weniger zum eher komfortablen Wesen des V60. Alle Motoren erfüllen die aktuelle Euro-6d-Temp-Norm.
Standardmäßig treibt der V60 nur die vorderen Räder an, der stärkste Benziner mit 310 PS hat serienmäßig Allradantrieb. Auch die Dieselmotoren gibt es mit vier angetriebenen Rädern. Für den V60 CrossCountry mit mehr Bodenfreiheit ist der D4 die einzige Motorisierung.
Gute Grundausstattung
Schon die Serienausstattung des Volvo beinhaltet wichtige Assistenzsysteme, den großen Touchscreen und digitale Instrumente. Radio und Klimaanlage sind bei den stolzen Preisen glücklicherweise ebenso selbstverständlich wie ein Tempomat. Erwähnenswert sind die serienmäßigen hellen LED-Scheinwerfer, außerdem gehört eine Zweizonen-Klimaautomatik stets zum Lieferumfang. Auf schnöden Stahlrädern muss kein V60 rollen, auch wenn die Seriengröße mit 16-Zoll-Felgen arg bescheiden wirkt.
Besser sind die 17-Zöller, die beim Momentum mit dabei sind. Für knapp 2.200 Euro bietet die Linie außerdem einen Aktivkohlefilter für den Innenraum, eine Lendenwirbelstütze vorn, elektrisch klappende Außenspiegel und Leisten im Einstiegsbereich sowie an der Ladekante. Zudem zählt eine schicke Teillederausstattung zum Lieferumfang.
Wer es gern sportlicher mag, ist mit der R-Design-Linie gut beraten. 18-Zöller, andere Schürzen und Schweller sowie Goodies wie Lenkrad- und Sitzheizung kosten weitere 4.000 Euro.
Gut 500 Euro günstiger ist die Luxus-Ausstattung Inscription. Ambientebeleuchtung, Komfort-Ledersitze, Chromapplikationen außen und Echtholz innen machen den V60 zur Wohlfühloase. Selbst der Schlüssel ist hier in Leder gehüllt. Noch nobler wird es mit dem Bowers & Wilkins Soundsystem für 2.773 Euro. Relevanter ist das Business-Paket für 1.260 Euro mit Navi. Ebenso sinnvoll ist das Intellisafe-Pro-Paket für 1.470 Euro, das alle wichtigen Assistenzsysteme zusammenfasst. Lohnenswert für schwedisch kaltes Wetter: das Winterpaket, das für 294 Euro warme Sitze und beheizte Wischerblätter sowie Scheibenwaschdüsen bietet. Für die Ladungssicherung ist das 50 Euro teure Trennnetz Pflicht.
Infotainment
Der V60 kommt serienmäßig mit digitalen Instrumenten und großem Touchscreen. Auch ein Radio samt Smartphone-Anbindung ist stets an Bord. Empfehlenswert ist das Business-Paket für 1.260 Euro. Das Instrumenten-Display ist dann größer, außerdem ist ein Navigationssystem samt kostenlosen Kartenupdates Bestandteil. Erst dann bietet das System auch Apple Carplay, Android Auto und einen zweiten USB-Anschluss. Wer sich ganz auf das Handynavi verlassen will, bekommt die Integration auch separat für 302 Euro. Unbedingt empfehlenswert ist der digitale Radioempfang über DAB+, der unverständlicherweise 277 Euro Aufpreis kostet. Die Bedienung des Touchscreens erklärt sich nicht auf Anhieb. Wer aber weiß, wie es geht, kommt gut zurecht. Dann funktioniert das Wischen und Drücken problemlos. Einzig die tiefe Einbauposition lenkt übermäßig ab. Ansonsten sind alle Anzeigen gut ablesbar. Besonders hilfreich ist das informative Head-up-Display für 1.000 Euro.