Mercedes EQE Test So fährt die elektrische Business-Klasse

Mercedes EQE 500 2022 Foto: Mercedes 13 Bilder

Mercedes wird konsequent elektrisch, jetzt auch in der gehobenen Mittelklasse. Doch das sehr komfortable Auto hat auch Schwächen.

Ob der EQE nun eine Stufenhecklimousine ist, ein Schrägheck, ein viertüriges Coupé oder ganz etwas anderes, darüber hat man sich bei Mercedes bislang noch nicht geeinigt. Egal, der EQE ist neu, voll elektrisch und er wird der E-Klasse offiziell als Schwestermodell zur Seite gestellt. Die bekommt 2023 einen Nachfolger, vermutlich zum letzten Mal. Zum Ausgang des Jahrzehnts könnte die Parallel-Existenz dann vom schwarzen Loch der Elektromobilität aufgesogen worden sein.

Die Gemeinsamkeiten zwischen beiden Modellen sind schnell erschöpft, die Unterschiede dagegen beträchtlich. Das fängt naturgemäß beim rein elektrischen Antrieb des EQE mit seiner gigantischen Batterie im Fahrzeugboden an, setzt sich über den enormen Radstand von 3,12 Metern fort und endet noch nicht damit, dass es vom EQE kein T-Modell geben wird.

Mercedes EQE 500 2022 Foto: Mercedes
Enorme 3,12 Meter stehen die Räder auseinander. Umso kleiner ist der Kofferraum.

Die Vorliebe für Kombis, so hört man zur Begründung, sei ein rein deutsches Phänomen, doch Mercedes baue Autos für den Weltmarkt. Heißt: Familien oder Menschen im Außendienst mit gehörigem Platzbedarf mögen künftig doch bitte zur SUV-Version des EQE greifen, die ebenfalls noch in diesem Jahr Premiere feiern soll.

Auf den ersten Blick wirkt der EQE seltsam uninspiriert. Vielleicht, weil seine Form vor allem der maximalen aerodynamischen Effizienz (cW-Wert = 0.22) geschuldet ist. Dafür bietet er ein ordentliches Raumangebot und ein nur 430 Liter kleines Gepäckabteil, das dieser Fahrzeugklasse kaum gerecht wird.

Mercedes EQE 500 2022 Foto: Mercedes
Der EQE läuft parallel zur bekannten E-Klasse.

Subtilen Humor kann man der Designabteilung dennoch nicht absprechen. Dort, wo bei Verbrennern der Marke bislang der Diamond-Kühlergrill saß, entdeckt man nun das sogenannte Black Panel. Es zitiert die bisherige Diamanten-Struktur, besteht beim genauen Hinsehen aber aus Mercedes-Sternen, denen der äußere Ring abhandengekommen ist. Absicht oder nicht, sie sehen aus wie Windräder. 216 Stück, also ein ganzer Windpark, ziert die Front des EQE. Wenn das keine Anspielung auf regenerative Energiequellen ist, die uns in Zukunft antreiben sollen.

Mercedes-AMG EQE 43 4MATICMercedes-AMG EQE 43 4MATIC Foto: Mercedes-Benz AG – Communicati
Das 292 PS starke Einstiegsmodell 350+ wurde mit 59.935 Euro haarscharf unter die Fördergrenze platziert. Auf die 7.500 Euro Bonus muss der Käufer des 87.250 Euro teuren EQE 43 (476 PS) verzichten.

Wer mit der äußeren Erscheinung des EQE fremdelt, wird mutmaßlich beim Platznehmen versöhnt. Die Sitzposition hinter dem Lenkrad ist annähernd perfekt, die Sitze bequem und auf der Rückbank bietet der Wagen den hohen Komfort, den man in der gehobenen Businessklasse erwartet. Ungewohnt ist höchstens die etwas erhöhte Sitzposition, weil darunter die Leistungselektronik verbaut ist. Da jedoch im Gegensatz zum größeren EQS keine Heckklappenscharniere im Dach untergebracht werden mussten, haben die Passagiere genügend Luft überm Scheitel.

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Der Fahrkomfort ist, zumindest in den ersten luftgefederten Testwagen, über jeden Zweifel erhaben. Leise und geschmeidig rollt der EQE ab, schluckt souverän Bodenwellen und unterdrückt dabei in Kombination mit seinem tiefen Schwerpunkt unangenehme Schwankungen der Karosserie, wie man sie gerade bei den angesagten SUVs leider häufig zu erleiden hat. Die Aktivlenkung an der Hinterachse funktionierte bei ersten Fahrten tadellos. Es gibt sie in zwei Ausführungen; die mit dem größeren 10-Grad-Winkel macht das Auto gerade im Stadtverkehr oder im Parkhaus wendig wie den gemeinen Feldhasen. Die mit dem kleineren Lenkwinkel genügt, um plötzliche Ausweichmanöver sicherer zu gestalten, vor allem bei hoher Geschwindigkeit. Sehr empfehlenswert!

Der 292 PS starke EQE 350+ beschleunigt wie an einem großen Gummiband gezogen, kraftvoll und beeindruckend. Auch Segelfunktion und Rekuperation funktionieren gut. Nur beim Bremsen ist das hohe Gewicht von mindestens 2,4 Tonnen zu spüren.

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Am Verbrauch, der bei den ersten Fahrten mit wenig Autobahnanteil bei etwa 20 kWh pro 100 Kilometer lag, gibt es wenig auszusetzen; ebenso wie an der Reichweite, die nach den bei Elektroautos anzusetzenden Maßstäben ganz ordentlich ausfällt. Mit der 100 kWh großen Batterie, von der 90 kWh nutzbar sind, besitzt der EQE Reserven, die – Prinzip Tesla –mit dem Nachteil des hohen Gewichts erkauft werden. Schnellladen soll mit bis zu 170 kW möglich sein; daraus ergibt sich theoretisch eine Reichweite von 200 Kilometern nach einem 15-minütigen Ladestopp.

Parallel führt Mercedes ein neues Tarifsystem fürs Laden ein. Me-Charge-Kunden können europaweit an 300.000 Ladepunkten Strom zapfen. Die Tarife bewegen sich auf dem Niveau von EnBW oder Maingau, bieten aber günstigere Preise bei Ionity. Außerdem fällt in Deutschland zwischen 21 und 8 Uhr keine Blockiergebühr an.

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Eine Enttäuschung ist der Hyperscreen, den Mercedes beinahe wie die Neuerfindung des Cockpits verkauft. Was genau hat der Kunde von der 1,41 Metern lange und 7.200 Euro teuren Glasfläche? Das Bauteil ist eben kein durchgehender Superbildschirm, sondern wirkt merkwürdig aufgesetzt, beinahe wie ein Fremdkörper. Tatsächlich verbergen sich darunter drei einzelne, rechteckige Displays, was auch deutlich durchscheint.

Mercedes EQE 500 2022 Foto: Mercedes
7.500 Euro für einen Bildschirm? Kann man, muss man aber nicht haben.

Hinzu kommt, dass nahezu alle Funktionen ausschließlich über berührungsempfindliche Flächen bedient werden, entweder am Lenkrad oder auf dem Screen. Mit den bekannten Nachteilen: mit Handschuhen nicht bedienbar und obendrein vom Verkehrsgeschehen ablenkend. Lediglich die Bedienelemente in den Türen sowie die Lenkstockhebel sind noch mechanisch und somit blind zu betätigen.

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Obendrein überragt der Hyperscreen das normale Cockpit in der Höhe um 17 Millimeter und erschwert so den Blick auf die Straße. Das normale Display im iPad-Format tut es auch und lenkt weniger ab. Manchmal ist eine Nummer kleiner auch genug.

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