Mercedes-Maybach S680 (2021) Fahrbericht Rücksitz-Lounge für Workaholics

Mercedes-Maybach S680 2021 9 Bilder

Die Mercedes-Maybach S-Klasse (interner Code Z223) will dem Nobel-Emblem noch mehr Leben einhauchen als ihr Vorgänger. Ein Ausflug ins Reich des weichen Leders mit zwölf Zylindern.

Wer einen Maybach als Dienstwagen fährt, hat es wohl aus wirtschaftlichem Blickwinkel ganz nach oben geschafft. Testwagenpreis des hier abgebildeten Fahrzeugs: Ziemlich genau 250.000 Euro – natürlich netto, wir reden ja von einer Geschäftslimousine. Wenn Sie jetzt schon wegen Preis und Bildern angefixt sind und unbedingt so einen Schlitten haben müssen, möglichst jetzt, dann haben wir schlechte Nachrichten: Dieses Jahr wird das nichts mehr.

Damit Sie die Wartezeit auf ihre persönliche Limo besser überbrücken können, schauen wir uns das Flaggschiff etwas genauer an. Von einer schon anerkannt luxuriösen Normalo-S-Klasse unterscheidet sich der Maybach durch viel und dick aufgetragenen Chrom und exklusive Felgen. Den mit feinen Chromstäben geschmückten Grill ist ihr ebenso vorbehalten wie die scheinbar nie endende Dachlinie, die ihren Abschluss mit einem separaten Fenster hinter der Fondtür findet. Die wirkt zwar mächtig lang, tatsächlich hat sie dieselben Abmessungen wie die hinteren Türen der S-Klasse Langversion.

Da Maybach Kunden schon genug für ihr Geld gearbeitet haben, öffnet sich das Portal in die noble Welt der chauffierten elektrisch. Auch auf schnödes Zuziehen kann man verzichten, ein Wink in Richtung Dachhimmel oder ein Druck auf den Knopf, und schon bewegt sich die Türe wie von Geisterhand ins Schloss. Wie in einem Schloss fühlt man sich dann auch: Hochfloriger, plüschweicher Teppichboden, auf den man sich nur in Socken traut, unglaubliche Weiten dort, wo man sonst die Beinfreiheit misst, und sagenhaft bequeme Sessel, wie sie in einem Privatjet auch kaum bequemer sein können. Das weiche weiße Leder bedeckt nicht nur alle vier Sitze, sondern auch jeden Quadratzentimeter Dachhimmel, die Haltegriffe, Armaturentafel und so weiter. Es mussten einige Kühe mit möglichst wenig Mückenstichen (wegen der sonst sichtbaren Fehlstellen) sterben, um diese Opulenz zu ermöglichen.

Mercedes-Maybach S680 2021
Unglaubliche Weiten dort, wo man sonst die Beinfreiheit misst.

Wir residieren also auf dem hinteren rechten Platz, lassen den Beifahrersitz von hinten aus ganz nach vorn surren, und genießen die Aussicht aus dem Panoramadach und auf die Displays vor uns. Die steuern das gesamte Bordinfotainment per Touch, man kann aber auch einfach „Hey Mercedes“ sagen. Da ist der Maybach gar nicht eitel, auf seinen Nobelnamen mag er nicht hören. Ansonsten gehorcht er aufs Wort, heizt und kühlt die Sitze, massiert den Rücken, und sogar die Waden. Dazu bringt man seinen Sitz in Liegestellung und streckt sich aus, genießt den tollen Klang der Burmester-Anlage samt Subwoofer im Sitz und nickt so schnell weg ins Reich der Träume. Wir schrecken auf, sind ja zum Arbeiten da, und klappen pflichtbewusst den Tisch aus der Mittelarmlehne. Das Laptop steht sicher, es kann also losgehen – nur einen Fahrer haben wir leider noch nicht.

Mercedes-Maybach S680 2021
Das weiche weiße Leder bedeckt nicht nur alle vier Sitze.

Also ab geht’s, selbst ans Steuer. Ein helles Starterkreischen später fällt der V12 in einen kaum hörbaren Leerlauf. Die Neunstufenautomatik legt den zweiten Gang ein, die Fahrt beginnt. Leise und kraftvoll nimmt der Maybach Fahrt auf, der hohe Kaufpreis lässt einen direkt die Verbrauchsanzeige vergessen, und von der Umwelt bekommt man eh kaum was mit. Es ist wirklich bedenklich ruhig, man glaubt die Ziffern auf dem Tacho kaum. Dazu kommt das Gefühl, dass wirklich alle Straßen gerade renoviert wurden, obwohl deren Flickenoptik etwas anderes sagt. Dank langem Radstand und Luftfederung bügelt diese Limousine wirklich beinahe jede Unebenheit glatt.

So gleiten wir dahin, überholen hin und wieder andere Autos dank 612 PS sehr behände und nähern uns flugs dem Ende unserer Ausfahrt. Noch ein letzter Blick auf die fein verarbeiteten Zierelemente, die an fast so vielen Orten sind wie das vorhin erwähnte Leder – da fällt uns zwischen den Rücksesseln noch eine Klappe auf. Hier kühlt der Champagner, und weiter vorn in der Mittelkonsole gibt es gekühlte Getränkehalter. Gegen läppische 2.500 Euro Aufpreis könnten wir uns jetzt noch die versilberten Champagnerkelche – doch zurück in die Dienstwagenrealität. Die besteht aus strengen CO2-Budgets, Ein-Prozent-Versteuerung, und immer mehr Elektromobilität, kein V12 vorgesehen. Na gut, wenden die Maybach-Strategen ein: Nächstes Jahr kommt da eventuell der elektrische EQS als Maybach-Ableger. Wir sind gespannt.

Mercedes-Maybach S-Klasse (X223)
Zweifarbiger Zwölfzylinder