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Neue Anbieter von E-Autos Tesla findet immer mehr Nachahmer

Foto: Lucid Motors

Wohl nur wenige haben vor zehn Jahren geglaubt, dass Tesla zum Weltkonzern aufsteigen wird. Mittlerweile glauben sehr viele daran, dass sich dieser Erfolg wiederholen könnte.

Der kometenhafte Aufstieg von Tesla hat vor allem eines gezeigt: Auch wenn den Auto-Weltmarkt Toyota, VW und Ford beherrschen, haben Start-ups eine Chance, neue und global erfolgreiche Marken zu etablieren. Möglich macht das vor allem die von den etablierten Playern lange vernachlässigte E-Mobilität. Sie verlockt viele Investoren dazu, in immer neue Start-ups zu investieren, die dann vielleicht ähnlich wie Tesla zu einer Marke mit Weltruf aufsteigen. Die Mobilität von morgen ist elektrisch und damit die Verlockung groß, mit diesem Paradigmenwechsel neue Chancen im Markt zu nutzen.

Viel Potenzial für einen Aufstieg à la Tesla steckt unter anderem im US-Autobauer Rivian. Erst 2018 fuhr der bereits 2009 gegründete Newcomer mit dem Pick-up-Konzept R1T und dem SUV R1S in das Bewusstsein der Öffentlichkeit und erntete dabei reichlich Applaus. Mit schickem Design, alltagstauglicher Reichweite und einigen Innovationen konnte das Allrad-Duo bei der Kernzielgruppe, dem amerikanischen Autokäufer, viele Begehrlichkeiten wecken.

Mindestens so eindrucksvoll wie die Autos sind auch die Namen der Investoren und ihre bereits bereitgestellten Summen. Rivian hat unter anderem von Ford, Blackrock und Amazon Millionenbeträge einsammeln können. Zuletzt hat sich das Unternehmen im Juli eine 2,5 Milliarden Dollar schwere Investitionsrunde gesichert. Darüber hinaus gibt es mit Amazon bereits einen Großkunden, denn für den Online-Handelsriesen, der bis 2040 CO2-neutral werden will, soll Rivian 100.000 elektrische Lieferwagen produzieren.

Sicher ist auch, wo Rivian seine Autos bauen wird, denn 2017 hat das Unternehmen eine seit längerem still liegende Mitsubishi-Fabrik im US-Bundesstaat Illinois erworben, die seither für die Produktion elektrischer Autos umgebaut wird. Eigentlich sollten von dort bereits ab Ende 2020 die ersten Serien-Rivian zu den Kunden rollen, doch aufgrund der Corona-Krise wird sich der Marktstart nach jüngsten Aussagen des Unternehmens auf das kommende Frühjahr verschieben. Dann wird sich zeigen, ob die Fahrzeuge von Rivian auch auf der Straße so viel Eindruck wie bei ihrer Messepremiere schinden können.

Ebenfalls im Besitz einer Fabrik und ebenfalls mit einem für amerikanische Autokunden verheißungsvollen E-Pick-up für 2021 in den Startblöcken steht Lordstown Motors. Das vergleichsweise junge Start-up hat den mächtigen Pick-up Endurance im Juni offiziell vorgestellt. Der umgerechnet rund 44.500 Euro teure Kleinlaster mit über 400 Kilometer Reichweite bietet mit seinen vier Radnabenmotoren ein ungewöhnliches Antriebskonzept, bei dem sich erst noch zeigen muss, ob sich diese Technik beim Kunden durchsetzen wird.

Wie bei Rivian hat auch Lordstown eine leerstehende Autofabrik übernommen. Es handelt sich um ein großes Autowerk in Lordstown/Ohio, dass die gleichnamige Marke vergangenes Jahr von General Motors übernommen hat. Darüber hinaus verfolgt das Unternehmen ehrgeizige Pläne, um sich die für den 2021 geplanten Marktstart benötigten finanziellen Mittel zu beschaffen. So soll ein noch für dieses Jahr angekündigter Börsengang 675 Millionen Dollar in die Kassen spülen. Außerdem deutet sich eine Unterstützung durch die Trump-Administration an. Bei der Premiere des Endurance in Lordstown waren neben dem Trump-Vize Mike Pence auch Energieminister Dan Brouillette anwesend. Laut US-Medien ist Lordstown ein möglicher Kandidat für ein Darlehen aus dem Energieministerium in Höhe von 250 Millionen Dollar. Mit einer ähnlichen Finanzspritze hat einst Tesla den Bau des Model S gestemmt. Bereits für 2022 plant Lordstown eine Jahresproduktion von mehr als 30.000 Pick-up. Beim Endurance soll es nicht bleiben, denn CEO Steve Burns will wohl auch ein elektrisch angetriebenes SUV bauen.

Bereits 2007 wurde der zunächst Atieva genannte Autobauer Lucid Motors gegründet, der ebenfalls mit Werk, Großinvestoren und einem eindrucksvollen E-Auto, der Luxuslimousine Air, auftrumpfen kann. Im April 2019 wurde mit dem Public Investment Fund von Saudi-Arabien eine Finanzierung über eine Milliarde Dollar beschlossen. Ende 2019 begann der Bau eines 700 Million Dollar teuren Werks in Casa Grande im US-Bundesstaat Arizona, in dem bis Mitte der 2020er-Jahre 2.000 Mitarbeiter jährlich rund 130.000 Autos produzieren sollen.

Imposant sind auch die Eckdaten des Air, der mit seinem bis zu 1.000 PS starkem E-Antrieb über 300 km/h schafft und dank Riesen-Akku mit einer Ladung mehr als 800 Kilometer Reichweite bieten soll. Auch mit 900-Volt-Bordsystem, extrem kurzer Ladezeit, Riesendisplays im Innenraum, einem Luftwiderstandsbeiwert von 0,21 und Selbstfahrfunktionen setzt der Air die Messlatte vergleichsweise hoch. Das gilt allerdings auch für den Preis, denn in den USA soll der Air zunächst mindestens 90.000 Euro kosten. Doch Lucid Motors plant deutlich günstigere Varianten des Air sowie ein SUV-Modell, wie Erlkönig-Sichtungen bereits verraten.

Rivian, Lordstown und Lucid sind nur drei eindrucksvolle Beispiele, die mit interessanten Produkten, ausgefeiltem Business-Plänen und viel Venture-Kapital die Autobranche in den nächsten Jahren kräftig durchschütteln könnten. Die Liste vielversprechender Elektroauto-Start-ups ist allerdings noch deutlich länger. Zu den bekannteren Newcomern aus den USA zählen unter anderem Fisker, Canoo, Nikola oder Karma Automotive. Einige planen Börsengänge, andere kämpfen bereits ums Überleben. Auch in China wurden in den vergangenen Jahren eine Reihe neuer E-Auto-Marken gegründet, die zum Teil bereits durchstarten oder ebenfalls wieder vor der Pleite stehen. Dieser Tage in Deutschland angetreten ist zum Beispiel Aiways. Andere kommende Marken aus China heißen Human Horizons, Xpeng, Nio oder Byton – wobei letztgenannter zunächst große Erwartungen geweckt hat, sich derzeit allerdings darum bemüht, sich neu aufzustellen. Und auch in anderen Ländern kündigen sich gänzlich neue Player an, hinter denen finanzkräftige Investoren stecken. In Polen will das Unternehmen Electromobility Poland (EMP) ab 2023 unter der Marke Izera elektrisch angetriebene Pkw bauen und vertreiben. Ein Jahr früher will der neue Hersteller Togg in der Türkei, unterstützt mit einer milliardenschweren Finanzspritze vom türkischen Staat, in das E-Auto-Business einsteigen.

Angesichts der vielen neuen Player sowie den Elektro-Ambitionen der etablierten Hersteller dürfte der E-Automarkt in nächster Zeit besonders hart umkämpft sein. Es wird spannend, wer nach seiner Konsolidierung übrigbleiben und sich durchsetzen wird.