Range Rover 2022 im Test Rollender Landsitz

Range Rover 2022 Foto: Range Rover 2022 13 Bilder

Das Auto für den Chef: Der neue Range Rover vereint Geländetauglichkeit mit purem Luxus. Geld sollte natürlich keine Rolle spielen.

Womöglich sollte man vor der ersten Ausfahrt mit dem Range Rover SV noch einen Abstecher nach London machen. Savile Row. Bei Gieves & Hawkes zum Beispiel oder Anderson & Sheppard. Erste Adressen in Sachen Maßanzug. Da, wo die Schneider im Dreiteiler Dienst tun und im Laden gerne ein Kaminfeuer knistert. Wo man nobelstes Tuch bereithält und besten Harris-Tweed – vor allem aber feine englische Art in Vollendung.

Angemessen wäre es. Schließlich lassen sie auch bei Land Rover von Meisterhand fertigen. In Ryton bei Coventry. Die Experten von Special Vehicle Operation tragen zwar bei der Arbeit keine Anzüge und bevorzugen als Material feinstes Leder und erlesene Hölzer – britischer Stil indes hat auch in der Oxford Road eine Heimstatt. Und was für eine. Selbst unter indischer Konzern-Hoheit. Hier nennt man den Luxus „SV“. Das ist dann in Sachen Dienstwagen schon sehr weit oben.

Range Rover lang 2022 Foto: Land Rover
Bei Preisen ab gut 100.000 Euro dürfte der neue Range als Firmenwagen der Chefetage vorbehalten bleiben.

Und so kommt es, dass man beim Anblick des neuen Range Rover unwillkürlich an leichten Nebel denkt und an Gentlemen in gewebtem Grün, die sich nach dem Tontauben-Schießen auf den Ländereien des Lords Richtung Herrenhaus aufmachen. Zum Tee im Westflügel. Und weil der Weg durchs Gelände führt, hat man selbstredend den Geländewagen gewählt. Nicht irgendeinen, sondern eine Art rollenden Landsitz. 5,25 Meter in der Langversion, Allrad, knapp 30 Zentimeter Bodenfreiheit im Offroad-Modus, 90 Zentimeter Wattiefe. Immun gegen jedes Ungemach. Komme es nun von oben oder unten. Minimalistisch und herrschaftlich zugleich. Mit besten Referenzen. Wer wenn nicht die Queen wüsste, wie man sogar abseits des Asphalts majestätisch unterwegs ist?

Range Rover 2022 Foto: Range Rover 2022
Feinstes Leder wird verarbeitet. Veganer können allerdings auch Stoffsitze mit recyceltem Plastik bekommen.

Derlei königlicher Vortrieb erfordert natürlich eine gewisse motorische Überlegenheit, weswegen der V8 der achtstufigen Automatik 530 PS aus seinen 4,4 Litern Hubraum anreicht. Die treiben den 2,7 Tonnen schweren Alu-Koffer in 4,7 Sekunden auf Tempo 100 und munter weiter bis zu elektronisch abgeregelten 260. Da kommt nicht mal mehr der Fünf-Liter-Kompressor des Vorgängers mit.

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Eine Klasse für sich

Opulenz ab Werk auch innen. Leder, Holz, alles vom Feinsten. Und bei drei Metern Radstand selbstredend reichlich Raum. Die hinten optional verfügbaren Einzelsitze erinnern an britische Clubsessel – sind nur viel komfortabler. Sie lassen sich heizen, kühlen und massieren einem den Rücken. In der Mittelkonsole warten auf Wunsch Kühlfach, ein ausfahrbarer Tisch, lasergravierte Kristallgläser und eine Fernbedienung für die Bildschirme. Kostenpunkt: 16.500 Euro (alle Preise netto). Umgeben ist man von 35 Lautsprechern einer 1700-Watt-Soundanlage. Und zum bequemeren Ein- und Aussteigen wird das Chassis abgesenkt. Elektrisch selbstverständlich – wie so ziemlich alles. Fehlt eigentlich nur mehr der Butler.

Range Rover lang 2022 Foto: Land Rover
Die wuchtige Langversion streckt sich auf 5,25 Meter.

Dennoch wäre es schade, das Fahren allein dem Chauffeur zu überlassen. Trotz seiner Abmessungen macht der Range Rover SV auch vorne thronend Spaß. Dafür sorgen Luftfederung, Neigungsausgleich, stufenlos einstellbare Dämpfer, eine präzise Allrad-Lenkung, Vordersitze mit bis zu 24 Verstellmöglichkeiten und fünf Massagefunktionen – vor allem aber das erhabene Gefühl, ein kleines Zucken im rechten Fuß würde reichen… Auch das ist eine Art von Luxus. Für den richtigen Durchblick sorgen zwei besondere Sehhilfen: Die erste ermöglicht wie durch eine gläserne Motorhaube direkte Sicht auf die Vorderräder, die zweite macht per Heck-Kamera den Rückspiegel zum Bildschirm.

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Luxus-E-Auto für die Langstrecke

Natürlich hat all das seinen Preis. 193.200 Euro muss man für das ganz große Lord-Gefühl mindestens ausgeben. Dafür ist aber dann das Wichtigste schon dabei. Besonders hübsche Farben allerdings kosten schnell mal knapp 7.500 Euro Aufpreis. Und auch dann bleibt nach oben reichlich Luft. Inmitten von Matrix-Leuchten, unzähligen Leder-Bespannungen und bis zu 23 Zoll messenden Breit-Rädern nehmen sich die 1.250 Euro für die elektrisch ausfahrbare Anhängerkupplung wie ein Schnäppchen aus.

Echt britisch und sensationell spleenig sind die zusätzlichen Tailgate-Event-Sitze. Nach dem Öffnen der zweigeteilten Heckklappe lässt sich ein Ladeboden herausziehen. Darauf kommen anschließend zwei selbstverständlich lederbezogene Kissen. Ist eigentlich für ein klassisches Picknick gedacht, geht aber auch für Polo oder Lagerfeuer. Wer lieber Lasten fährt: Bis zu 2,7 Kubikmeter packt der Range Rover weg.

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Und ja, es gibt ihn auch kürzer, kleiner, billiger – und sparsamer als zwölf Liter. Wahlweise als Sechs-Zylinder-Diesel mit 250, 300 und 350 PS, als identisch konfigurierten Benziner mit 440 PS oder als Plug-In-Hybrid mit 440 und 510 PS und bis zu 113 Kilometern elektrischer Reichweite. Beim kleinen Diesel muss man leider auf den langen Radstand ganz verzichten, dafür ist man aber auch schon ab 105.800 Euro dabei.

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Keine Kompromisse im Gelände

Die meisten Range Rover dürften allerdings am oberen Rand der Skala weggehen. Im potenziellen Kundenkreis sind Sparfüchse und Krämerseelen üblicherweise selten zu finden. Weshalb sich wohl auch deutlich mehr als 40 Prozent für den V8 entscheiden werden. Es könnte ja womöglich der letzte sein. Wen trotzdem ein klein wenig das Umwelt-Gewissen plagt – 2024 kommt der Range Rover auch vollelektrisch. Das Budget für den Schneider wird dann allerdings schmaler…