Restwertprofi Martin Weiß (DAT) "Der Taycan ist wertstabiler als ein Panamera"

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Umweltprämie, reduzierte Dienstwagensteuer und größeres Modellangebot: E-Autos werden massentauglich. Ob das auch positiv für die Restwertentwicklung ist, weiß Martin Weiss von der Deutschen Automobil Treuhand (DAT).

Die hohe Umweltprämie macht den Kauf von E-Autos sehr attraktiv. Ist aber jetzt auch im Hinblick auf den Wiederverkauf der richtige Zeitpunkt, ein E-Auto zu kaufen?

Wir erleben derzeit einen sehr volatilen Markt. Die deutlich erhöhten Prämien haben natürlich einen erheblichen Einfluss auf die Restwerte. Dieses Jahr waren auf einmal gebrauchte Zwei- bis Dreijährige ähnlich teuer wie Neuwagen. Außerdem beobachten wir teilweise sinkende Listenpreise, beispielsweise bei Renault Zoe und Nissan Leaf.

Aber falls die Umweltprämie wie geplant Ende 2021 wegfällt, steigen doch auch die Restwerte entsprechend?

Das klingt logisch, und viele Marktbeobachter sind auch dieser Meinung. Wir sehen das anders. Das Beispiel der Abwrackprämie hat gezeigt, dass es sehr lange dauert, bis sich die Gebrauchtwagenpreise nach dem Auslaufen einer Prämie wieder erholen. Hinzu kommt, dass die CO2-Ziele der Autohersteller bestehen bleiben und sich in Zukunft eher verschärfen. Das lässt darauf schließen, dass auch die Kaufanreize bestehen bleiben und damit auch die Restwerte nicht steigen.

Also sollten Fuhrparkleiter noch ein bisschen warten?

Das kann man so einfach nicht sagen. Die Innovationszyklen wurden viel kürzer, und Reichweitensprünge haben großen Einfluss auf die Restwerte. Inzwischen wird die Vielfalt an Modellen mit alltagstauglichen Reichweiten immer größer, die Reichweiten wachsen nicht mehr ganz so schnell an. Außerdem könnte es in Zukunft den Effekt geben, dass zu viele E-Autos auf den Gebrauchtwagenmarkt drängen.

Gibt es dann überhaupt genug interessierte ­Privatanwender?

Wären aus Ihrer Sicht dann doch Plug-in Hybriden die sicherere Investition?Laut unserem DAT-Report haben Privatkunden derzeit mehr Lust auf Plug-in Hybriden als auf reine E-Autos. Wir wissen aber alle noch nicht so richtig, wie sich der Markt entwickelt. Bei den aktuellen Zulassungszahlen ist auch hier vorstellbar, dass in wenigen Jahren zu viele junge Gebrauchte den Markt schwemmen und damit Restwerte unter Druck geraten.

Wie groß sind denn die Wertverlust-Unterschiede zwischen­ den verschiedenen Antriebsarten?

Das muss man in Relation zum Listenpreis sehen. Höhere Listenpreise von Dieseln und alternativen Antrieben erhöhen den prozentualen Wertverlust. Der Diesel hat es da schwierig, ähnlich gut zu sein wie Benziner. Bei E-Autos haben Listenpreissenkungen wie beispielsweise beim e-Golf große Auswirkungen. Der stand restwertmäßig sehr gut da, die Anpassung der Kaufpreise hatte dann ganz klare Effekte. Der Nachfolger ID.3 als von Grund auf neu konzipiertes E-Auto hat viel mehr Vorteile gegenüber einem Auto mit Verbrennungsmotor, beispielsweise die Raumausnutzung. Sein Restwert wird sich stabil entwickeln. Nach Abzug der Prämie hat er einen akzeptablen Preis, als Gebrauchtwagen steht er dann im Wettbewerb mit dem normalen Golf.

Wie unterscheiden sich da die unterschiedlichen Fahrzeug­klassen?

Bei den Kleinstwagen ist der Druck am größten. Hier entsteht schnell das Paradoxon, dass Neuwagen günstiger sind als Gebrauchtwagen. Autohändler müssen da aufpassen: Wie viel muss ein junger Gebrauchter weniger kosten als ein Neuwagen, damit er noch attraktiv ist? Wir rechnen mit zehn Prozent Preisunterschied zwischen einem Einjährigen und einem Neuwagen. Eine Sonderrolle hat bisher noch Tesla, zukünftig aber ganz besonders auch Porsche. Hier werden sich die Restwerte auch beim Taycan angesichts der beeindruckenden Technologie sehr stabil entwickeln. Vergleicht man ihn mit einem Panamera, verliert er weniger an Wert. Insgesamt wird es für die Käufer schwieriger, durch die große Modellvielfalt Autos einem Segment zuzuordnen. Eine klare Abgrenzung zwischen einzelnen Modellen sowie eine einfache Ausstattungsstruktur erleichtern es dem Fuhrpark.

Was empfehlen Sie Flottenbetreibern angesichts dieser großen Klassenunterschiede: Sollten sie E-Autos lieber kaufen oder doch zur Sicherheit leasen?

Das aktuell sehr niedrige Leasingpreisniveau schafft natürlich eine gewisse Erwartungshaltung für die Zukunft. Die bereits angesprochenen Emissionsziele werden die Preise wohl niedrig halten, mit entsprechendem Risiko für die Banken. Dennoch vermarkten etwa 17 bis 20 Prozent der Fuhrparks ihre Gebrauchten selbst – diese Erfahrungen können natürlich auch für E-Autos genutzt werden. Am Ende muss jeder Fuhrpark selbst entscheiden, ob er das Restwertrisiko lieber von sich weg verlagern will.

Wir haben viel über Risiken gesprochen, aber gibt es denn auch Chancen bei der Wiedervermarktung von E-Autos?

Ein Push könnten Einfahrbeschränkungen in Städten sein. 68 Prozent der Bevölkerung leben in Städten mit weniger als 100.000 Einwohnern, ihre Kenntnisse über die Antriebsarten von Autos sind bisher überschaubar. Wenn sie aber auf einmal nur noch mit einem E-Auto zu ihrer Wohnung oder Arbeit kommen, wird sich das schnell ändern. Vor allem den Markt für Kleinbus-­Shuttles und leichte Transporter sollte man da gut im Auge behalten.