Nicht nur Tempel, Zen oder Hybrid-Autos kommen aus Nippon, auch bei automobilen Bonsai-Gewächsen sind die Japaner Spezialisten. Von der Konkurrenz fast unbemerkt avancierte Suzuki zum global größten Minicar-Hersteller. In Deutschland erzielt Suzuki seit 40 Jahren mit kleinen Kletterkünstlern und Cityflitzern Erfolge.
Mit Kleinwagen kann kein Konzern Geld verdienen, heißt es aus vielen Chefetagen. Irrtum, meint Suzuki als global größter Kleinwagenspezialist. Der Minicar-Hersteller aus dem japanischen Hamamatsu macht das Land der aufgehenden Sonne schon seit 1955 mobil mit winzigen Kei-Cars und fröhlichen Allrad-Wühlmäusen. Auch in Deutschland war es vor genau 40 Jahren ein kultiger 4x4-Kletterkünstler, der liebevoll Eljot genannte LJ80, mit dem Suzuki sofort die Herzen eroberte. Schnell kamen kuriose Hochdach-Zwerge hinzu wie der Carry, kleine Dynamiker á la Swift oder Cappuccino sowie originelle Crossover, die teils sogar von anderen Marken wie Opel (Agila) oder Fiat (Sedici) adaptiert wurden.
Nur die Ausflüge in größere Klassen klappten selten, Suzuki-Typen wie Kizashi und Liana konnten nie wirklich reüssieren. Spannend wird deshalb, ob der passend zum 40. Jubiläum des Deutschlandstarts lancierte Suzuki Across als erster SUV aus Kooperation mit Toyota die Kunden überzeugen kann – oder ob es im Jahr der Corona-Pandemie einmal mehr an den kleinen Helden Swift, Ignis und Jimny sowie dem bewährten Kompakt-SUV Vitara liegt, das Feuer in Gang zu halten.
Es ist die unbekümmerte Kreativität der Japaner bei der Erprobung neuer Karosserie- und Fahrzeugkonzepte, die der Autowelt einige der genialsten, fröhlichsten und vielleicht auch verrücktesten Typen beschert hat. Ganz besonders gilt dies für ultrakurze Kleinwagen, denn die extrem dicht besiedelten Ballungsräume der Inselnation haben die Entwicklung heute allgemein angesagter Tiny Houses – auch auf vier angetriebenen Rädern – dort frühzeitig beschleunigt. Genau solch ein verwegenes Bonsai-Gewächs brachte 1980 in Deutschland einen nie geahnten Allrad-Hype in Gang und damit die Marke Suzuki in aller Munde. Während frühe Toyota-, Nissan- oder Mazda-Modelle hierzulande noch als "Reisschüsseln" belächelt wurden, machten Offroadfans, Frischluftliebhaber, Forstbeamte und die Generation der karriere- und markenbewussten Yuppies schon den allerersten Suzuki zum Kultobjekt. Unter dem Werbeslogan "Hoppla, jetzt komm ich!" startete der spektakulär geländegängige und ohne Verdeck verführerisch offene Suzuki LJ80 sofort durch. Suzuki wurde hierzulande vorübergehend die größte Offroad-Marke und machte den preiswerten LJ80 oder "Eljot" wie er auch genannte wurde, zum Begründer einer verzweigten 4x4-Dynastie.
Das fiel der nur 3,19 Meter messenden Miniaturausgabe des amerikanischen Ur-Jeep leicht, zumal der LJ80 und seine Nachfolger Suzuki SJ sowie Samurai damals auch sonnenhungrige Deutsche begeisterten, die keine Lust auf ein kostspieligeres konventionelles Bügel-Cabrio á la VW Golf oder Ford Escort hatten. Und auf den Großstadtboulevards boten die bunt lackierten, weltweit kürzesten viersitzigen 4x4-Sonnensegler für Stock und Stein genau die minimalistische Dosis Lebenslust, die die Welt damals als Kontrastprogramm zum luxuriösen Allrad-Spektakel von Porsche 959 oder Monteverdi Safari benötigte.
Es gibt Autos, die sind erfolgreich, weil es sie genau so oder so ähnlich schon gibt und es gibt Autos, die wagen neue Ideen – dazu zählten jahrzehntelang die erfolgreichsten Suzuki Modelle. So transferierte der 1998 vorgestellte Jimny die Idee des Eljot geschickt ins 21. Jahrhundert, wobei er trotz zahlreicher neuer Sicherheitstechniken mit 3,62 Meter Länge weiterhin den Floh unter den Vierradlern gab. Vor allem aber zeigte der 1988 eingeführte Vitara wie SUV auf Suzuki-Art geht, nämlich als Fusion zwischen komfortabler Pkw-Kabine und rauen Offroad-Features mit Leiterrahmen und hinterer Starrachse. Ergänzt wurden diese Alleinstellungsmerkmale um einen kräftigen 2,0-Liter-V6 unter der Haube – typisch Suzuki war es der weltweit kleinste Sechszylinder, der in einem Offroader zum Einsatz kam. Gleichzeitig gelang dem japanischen Minicar-Giganten mit dem Vitara zumindest der Sprung in die nächsthöhere Klasse. Frauen und SUV, auch diese besondere Beziehung begann mit dem Vitara, genau gesagt mit dem X-90. Als erster experimenteller Pfadfinder für SUV-Coupés bot der nur zweisitzige X-90 exaltierte Haute Couture für spektakuläre Auftritte vor Shoppingmalls.
Zurück zu den Frontantriebsautos im Winz-Format, der zweiten Suzuki-Spezialität. Los ging es 1981 mit dem Alto, der fünf Türen auf nur 3,29 Meter Länge verteilte und durch rekordverdächtig niedrige Verbrauchswerte Schlagzeilen machte. Diese brachten laut Werbung sogar die sogenannten Ölscheichs zum Weinen – ein Fauxpas, für den sich Suzuki sofort in aller Form öffentlich entschuldigte. "Harry hat drei Liter Hubraum … Jens hat sechzehn Ventile und ich hole mit drei Zylindern Inge ab", lautete die nächste, erfolgreiche Anzeigenkampagne für das Anti-Angeber-Auto Alto, das über fünf Generationen bis 2015 in Deutschland verkauft wurde. Eine Klasse größer stellte sich 1984 der Swift vor, als GTI zeigte er beim Sprintduell sogar dem weit stärkeren Platzhirsch Golf GTI die fetten Schweller. Bis heute ist der Swift für Suzuki ein Bestseller, zumal er in einem Werk Ungarn gebaut wird.
Ein wichtiger Imageträger der neunziger Jahre wurde der in limitierter Auflage importierte Kei-Car-Roadster Suzuki Cappuccino, der unterhalb des Mazda MX-5 ein neues Sportwagensegment eröffnete. Dagegen führte der Micro-Van Suzuki R+ vor, wie maximale Raumausnutzung dank senkrechter Seitenwände und mit einem kleinen Nasenknubbel als Motorhaube funktioniert. Dieses Konzept war so genial, dass Opel eine Kopie namens Agila bei Suzuki einkaufte.
Erst Ende der 1990er Jahre zeigte sich, in welche Segmente Suzuki nicht wirklich eindringen konnte, denn die biederen Baleno-Modelle und die folgenden Liana-Limousinen hatten gegen deutsche Kompakte ebenso wenig eine Chance wie der 2010 eingeführte Kizashi in der Mittelklasse. Auch der fast fünf Meter lange Grand Vitara XL-7 mit einem 2,7-Liter-V6 verkörperte einen Luxus, wie er nicht zu Suzuki passte. Besser lief es mit kompakten Crossover-Typen wie dem 2000 präsentierten Allradler Suzuki Ignis, der eine neue Marktnische erschloss. Die 2006 bzw. 2013 nachfolgenden Modelle SX4 und S-Cross mussten sich dann schon gegen viele, neu hinzugekommene Wettbewerber durchsetzen. Zurück zu den Wurzeln, hieß es deshalb im japanischen Hauptquartier Hamamatsu, das 2016 einen neuen, nur noch 3,70 Meter messenden Ignis nach Europa schickte. Mit reduziertem, kantig-coolen Design und Allradantrieb verkörperte dieser Micro-SUV den Geist, der Suzuki einst groß gemacht hatte.
Dazu passte 2018 auch die Neuauflage des Jimny, dessen Popularität als kleinster echter Offroader kaum mehr steigerungsfähig scheint. Eine Beliebtheit, die sich leider nicht in den Verkaufszahlen spiegelt, stehen dem deutschen Handel doch schlicht nicht genügend Autos zur Verfügung. So müssen Swift, Ignis und Vitara die Suzuki-Kasse füllen, ehe ab Herbst ein Zwilling des Toyota RAV4 Plug-in Hybrid hinzukommt, der Suzuki Across. Suzuki will es wissen und sich endlich auch in dieser größeren Klasse durchsetzen.