50 Jahre Ford Taunus Dienstwagen vor Passat-Zeiten

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Gegen den technisch konservativen Taunus mit markanter "Knudsen-Nase" blieben sogar Avantgardisten wie der VW K70 und der neue Opel Ascona chancenlos.

Krönchen-Logo, Chrom-Glitter, Echtholz-Furnier, Vinyldach und zwei exklusive Sechszylinder: Der in stattlichem Format karossierte Ford Taunus übertrug vor 50 Jahren den Glamour der großen Klasse in die bürgerliche Mitte und avancierte so zum ersten Millionenerfolg aus Köln. Während das Vorgänger-Duo aus Ford 12 M und 15 M noch auf fortschrittlichen Frontantrieb setzte, machte der neue Taunus eine Rolle rückwärts und folgte mit konservativem Hinterradantrieb seinem englischen Zwilling namens Cortina MK III. Tatsächlich waren Taunus und Cortina auf Geheiß der amerikanischen Konzernzentrale als europäische Einheitsmodelle parallel entwickelt worden, wobei in beiden Fällen ein sportlich-kraftvolles Design mit langer Motorhaube sowie kurzem Heck nach dem Beispiel des Mustang angesagt war. Klar, dass es den Taunus deshalb auch als Coupé gab – parallel zum bereits etablierten Capri. Auch zur Vielfalt der Ausstattungen vom phlegmatischen 1,3-Liter-Vierzylinder bis zum damals in der Mittelklasse einzigartigen 2,3-Liter-V6 ließen sich die Taunus-Entwickler durch das Pony-Car inspirieren. Und noch ein US-Einfluss kennzeichnete den Taunus: die legendäre "Knudsen-Nase". Ein Stilmerkmal, das der nur kurzzeitig amtierende amerikanische Ford-Präsident Semon Knudsen den Designern ins Lastenheft diktierte. Tatsächlich hatte der Taunus die Nase vorn, vor allem als meistverkauftes Mittelklassemodell der frühen 1970er und gemeinsam mit dem Cortina als populäres Weltauto für alle Kontinente von Amerika bis Australien.

Ob moderner Opel Ascona, der K70 als erster Frontantriebs-VW, avantgardistischer Citroen GS, stattlicher Chrysler 160 oder Ford Taunus in formidabler Form für 6.654 Mark zum Knallerpreis eines Käfers: Die europäische Mittelklasse erneuerte sich für die 1970er Jahre, denn die westliche Welt vollzog den Wandel vom Wirtschaftswunder der ersten Nachkriegsjahrzehnte zur Wohlstandsgesellschaft, oft schon mit zwei Autos pro Haushalt. Noch warfen Öl- und Umweltkrisen keine Schatten voraus in jene knallbunten Jahre von Pop-Art, frühem Farb-TV und Schockfarben auf automobiler Blechhaut. Die Menschen zeigten gerne, was sie hatten und das Auto galt nach dem Eigenheim als wichtigste Visitenkarte. Mit Abstand das beste Gespür für diesen Zeitgeist zeigten die Ford-Entwickler im englischen Dagenham, denn dort fanden Cortina und Taunus ihre für Millionen Kunden unwiderstehlich verführerischen Konturen als Limousine und Kombi sowie Coupé (nur Taunus).

Rund 100 Ausstattungsvarianten standen für das Duo zur Wahl, das war Weltrekord. Rekordverdächtig entwickelten sich auch die Verkaufszahlen, kaum ein europäisches Land, in dem nicht einer der Bestseller (parallel angeboten wurden sie nur auf Märkten der Freihandelszone EFTA wie in Österreich), die Zulassungsstatistik oder zumindest die Mittelklasse anführte. Elton John widmete dem allgegenwärtigen englischen Cortina sogar einen Popsong, in Australien/Neuseeland avancierte der Cortina mit bis zu 4,1 Liter mächtigen Sechszylindern zum beliebtesten Flottenfahrzeug, in Südafrika zum "favourite Family Car", in Argentinien der Taunus zur meistgekauften Limousine und in Korea der Cortina unter dem Markenzeichen von Hyundai zum populärsten Volksauto. Tatsächlich gewann der Taunus viele vormalige Volkswagen-Käfer-Käufer, die in dem Ford ein geräumiges Familienvehikel entdeckten, das mit kleinem 55 PS abgebenden 1,3-Liter-Vierzylinder kaum mehr kostete als ein VW 1302 LS. Alternativ konnte sich Knudsens Nase als einzige Mittelklasse sogar eines prestigeträchtigen 2,3-Liter-V6 rühmen, so wie sonst etwa ein Mercedes 230.

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Ab April 1974 ist der Taunus Turnier mit 2,0-Liter-V6-Motor lieferbar, außerdem gibt es fortan die höchste Ausstattungslinie GXL auch für den Turnier.

Von innerer Größe kündete übrigens auch der Radstand des Taunus, der mit 2,58 Meter den Rüsselsheimer Rivalen Opel Ascona im Vergleich fast auf Kleinwagen-Format reduzierte und schon das Niveau von Oberklasse-Typen wie Rover 3500 V8 erreichte. Wen wundert es da noch, dass der Taunus allein in Deutschland im ersten vollen Verkaufsjahr rund 125.000 Käufer fand und damit zweieinhalb Mal so viele wie der Ascona. Ford Köln freute sich über diesen Goldregen für die Kasse, einen Marktanteil von stolzen 15 Prozent – und wurde bis in die Grundfesten durchgeschüttelt, als der Taunus vom ADAC mit der gefürchteten silbernen Zitrone für Neuwagenmängel ausgezeichnet wurde. Dabei waren Zigarettenkippen, zerfetzte Zeitschriften oder Butterbrotpapier unter dem Taunus-Rücksitz eher der Kategorie kurioser Gruß vom Fließband zuzuordnen, übler waren die Rückmeldungen aus dem Ford-Vertriebsnetz über Wassereinbrüche, Motoraussetzer oder schlecht passende Teile. Ein Dilemma, das übrigens auch den englischen Cortina betraf, und um negative Medienschlagzeilen über eine unbefriedigende Fahrwerksabstimmung erweitert wurde. Ford handelte rasch. Noch 1971 besserte ein „60-Punkte-Programm“ Qualität und Fahrkomfort ein wenig nach, im Folgejahr gab es eine modifizierte Hinterachse und während der Ölkrise verdoppelte Ford 1974 als erster deutscher Hersteller die Garantielaufzeit auf nunmehr zwölf Monate.

"Taunus 74. In ihm steckt ein neues Auto", warb Ford für die problembefreite Familienkutsche. Die Pole Position in der Mittelklasse verloren die Kölner trotzdem, denn nicht nur der Ascona nutzte die vorübergehenden Schwächen des optisch rasch alternden und bald als barock empfundenen Taunus. Auch die frischen Frontantriebs-Konkurrenten Audi 80 und VW Passat im italienischen Giugiaro-Design setzten dem einstigen rheinischen Shootingstar zu, der dann jedoch überraschend ein Revival feierte, als er fürs Modelljahr 1975 ein finales Facelift erhielt. Mit mattschwarzen Zierelementen und üppiger Serienausstattung sowie als erster starker Sechszylinder-Kombi seines Segments machte er Boden gut. Tatsächlich zeigte sich am Beispiel des Taunus, wie anspruchsvoll gerade die deutschen Autokäufer der 1970er geworden waren.

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Der Ford Taunus erhielt 1975 ein finales Facelfift.

Feierte doch Fords Weltauto außerhalb Deutschlands stetig neue Verkaufsrekorde, als "Millionen-Ding" und "stiller Eroberer, dem an automobiler Vernunft alles liegt und an optischen Gags wenig", wie eine Pressemitteilung vom Juni 1975 allen Ernstes erklärte. Darüber kann die heutige Taunus-Community nur amüsiert grinsen. Sie liebt den längst rar gewordenen Knudsen gerade wegen seiner kultigen Formen und Variantenvielfalt. Schließlich waren es neben dem großzügigen Raumangebot Details wie der kuriose Mix aus rechteckigen und runden Doppelscheinwerfern im Frontgrill des GT, die Armaturentafeln im Mustang-Look, der stolze Ford-Schriftzug auf der Kühlernase, das Kunstleder-Dach als GXL-Insignie und die "mattschwarze Rallye-Lackierung für den GT" oder der "Spielraum für Kinder im Laderaum" des Turnier, mit denen der Taunus 1970 durchgestartet war. Sechs Jahre später wurde es tatsächlich ernst mit dem Thema Vernunft, denn nun fuhr die zweite Taunus/Cortina-Generation in geglätteten Formen vor. Keine Spur mehr von Blechwülsten und auch das Coupé und die Knudsen-Nase waren Vergangenheit. Stattdessen gab es Zuverlässigkeit serienmäßig – und neue Produktionsrekorde.

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