Aral-Studie Tankstellen der Zukunft Energiemakler statt Tankwart

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Immer mehr Elektroautos in den Städten, immer weniger Menschen auf dem Land: Der soziale und ökologische Wandel in Deutschland stellt das Geschäftsmodell von Tankstellen in Frage.

Lange waren sich Automobil- und Mineralölbranche einig: Die Zukunft der Mobilität liegt im Verbrennungsmotor und fossilen Kraftstoffen. Der Klimawandel spielte in den strategischen Überlegungen kaum eine Rolle. Doch das ist nun vorbei: Die öffentliche Diskussion über die Pariser Klimaziele, über Abgase und Fahrverbote und der Druck aus der Politik zwingen die Branchen zum Handeln. Die Autohersteller stellen die Weichen neu. Und daher muss sich auch die Mineralölbranche ernsthafte Gedanken über die Tankstellen und ihr Geschäftsmodell der Zukunft machen.

Die Mobilität wird sich radikal ändern

Eins ist zumindest sicher: Die Mobilität der Zukunft wird eine völlig andere sein. Neue Antriebstechnologien, autonomes Fahren, Sharing-Modelle und die Vernetzung von verschiedenen Verkehrsmitteln mittels Digitalisierung gewinnen an Bedeutung. Allerdings: Was in städtischen Ballungsräumen funktioniert, wird auf dem Land völlig anders aussehen. Davon geht auch die Studie „Tankstelle der Zukunft“ aus, die das Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Auftrag von Aral erstellte.

Das DLR hat untersucht, wie sich Fahrleistung, Fahrzeugflotten und deren Antriebsarten sowie das Mobilitätsverhalten in Deutschland bis 2040 verändern werden. Daraus wurden Szenarien für die Großstadt und den ländlichen Raum entwickelt. Immer weniger Menschen werden auf dem Land leben und so weniger Infrastruktur brauchen. Der private Pkw spielt aber weiterhin eine wichtige Rolle. Überall dort, wo Geschäfte schließen, könnten sich die Tankstellen zu einem sozialen Treffpunkt mit einem größeren Shop-Angebot und Paketdienstleistungen entwickeln. Ganz pfiffig ist die Idee eines kombinierten Personen- und Güterverkehrs: Handwerker oder Pflegedienste nehmen von der Paketstation an der Tankstelle Lieferungen für ihre Kunden oder Patienten mit und entlasten damit Paketdienstleister von Fahrten in entlegene Gebiete.

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In der Großstadt soll sich die Tankstelle dagegen zu einer Mobilitätsdrehscheibe entwickeln: E-Bikes, autonome Sharing- und Pooling- Fahrzeuge sowie Lufttaxis stehen bereit und werden während ihrer Standzeit geladen oder gewartet. Kunden, so Aral-Chef Patrick Wendeler, können somit von einem kollektiven Fahrzeug ins nächste umsteigen. Geld verdienen will Aral an diesen Stationen in Zukunft mit ultraschnellen Ladesäulen, die in diesem Jahr im Rahmen eines Pilotprojektes an fünf Stationen in Deutschland getestet werden, mit der Wartung autonomer Flotten und auch mit dem Verkauf konventioneller und alternativer Kraftstoffe.

Denn laut Studie tanken auch im Jahr 2040 weit über 90 Prozent der Fahrzeuge, darunter mehr als die Hälfte Diesel- und Benzin-Hybrid-Autos konventionellen Kraftstoff, zunehmend kombiniert mit weiterentwickelten Biokomponenten und synthetischen Kraftstoffen. Ohne gesetzliche Vorgaben, die in der Studie ausdrücklich außen vor gelassen wurden, sollen damit auch im Jahr 2040 nur rund drei Prozent der Pkw sowie 13 Prozent der Nutzfahrzeuge ausschließlich batterieelektrisch fahren. Angesichts der Ergebnisse der Europawahl und des eindeutigen Votums zumindest der deutschen Wähler für Maßnahmen des Klimaschutzes ist es jedoch ziemlich wahrscheinlich, dass die politische Entwicklung eine andere Richtung vorgeben wird.

Wo sollen Lufttaxis landen?

Unbeantwortet bleibt zudem die Frage, wie Umsteigeplätze für Lufttaxis, Parkplätze für autonome Fahrzeuge und Batterietauschautomaten für E-Bikes und E-Roller angesichts der Grundstückspreise in den boomenden Großstädten künftig genug Ertrag bringen können, um Teil eines erfolgreichen Geschäftsmodells zu sein.

Während Aral noch darüber nachdenkt, wie sich Tankstellen weiterentwickeln lassen, plant Shell, der nach Exxon Mobil zweitgrößte Öl- und Gaskonzern der Welt, gleich den kompletten Umbau seines Geschäfts. Das Ziel: Das niederländische Unternehmen will der größte Stromversorger der Welt werden. In den kommenden zehn Jahren soll Strom neben der Öl- und Gasförderung und –verarbeitung ein Drittel zum Umsatz von derzeit rund 350 Milliarden Euro beisteuern. Daher hat Shell in den letzten Jahren Shell den niederländischen E-Ladestationen-Betreiber NewMotion und das deutsche Unternehmen Sonnen, das Stromspeicher für zuhause anbietet, aufgekauft.

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In Holland ist Shell in den Bau von Windparks eingestiegen und aktuell läuft das Bieterverfahren für den niederländische Stromversorger Eneco, zu dem auch der größte deutsche Ökostrom-Verkäufer Lichtblick gehört. Mit einem Angebot von der grünen Energieerzeugung über die Speicherung und den Vertrieb kann sich Shell zu einem dominanten Player auf dem Energiemarkt entwickeln.

Aral, Shell, Exxon - alle suchen nach neuen Geschäftsfeldern

Allerdings ist dies nicht der erste Versuch eines branchenfremden Unternehmens, mit der Energiewende Geld zu verdienen: Shell mit der Solarstadt Gelsenkirchen, Automobilzulieferer Bosch mit Solarenergie oder das Wüstenprojekt Desertec – bisher scheiterte noch jedes Projekt. Doch für Shell sind die Rahmenbedingungen diesmal günstig und der Konzern hat zudem – anders als beispielsweise die krisengeschüttelte Brache der Stromversorger - die Mittel, seine grünen Pläne umzusetzen.

Daneben versuchen Automobil- und Mineralölwirtschaftsindustrie gemeinsam, den Blick auf einen potentiellen, aber bisher in der Öffentlichkeit wenig beachteten Energieträger der Zukunft zu lenken - die sogenannten E-Fuels, die aus Strom aus erneuerbaren Energien, Wasser und Kohlendioxid hergestellt werden können. E-Fuels haben zahlreiche Vorteil: Sie sind klimaneutral, lassen sich den fossilen Energieträgern problemlos beimischen und eignen sich für alle Verkehrsmittel. Zudem könnten sie mit der bestehenden Infrastruktur und Technologie genutzt werden und somit die Zukunft der Verbrennungsmotoren sichern. Der Nachteil: Die Herstellung ist teuer und aufwändig, der Wirkungsverlust hoch und bisher gibt es nur Demonstrationsanlagen. Um die Entwicklung voranzubringen, so die Forderung der Wirtschaft, müsse die Politik verlässliche Rahmenbedingungen setzen und die neue Technologie fördern. Eine Forderung, die bei der bisher überwiegend auf die Elektromobilität fixierten Politik, wenig Gehör fand.

Völlig unbeeindruckt von den grünen Ambitionen der europäischen Konkurrenz agieren im Übrigen die Mineralölkonzerne auf der anderen Seite des Atlantiks. Unter der Regierung von Klimawandel-Leugner Trump können sich Branchenprimus Exxon und der kalifornische Chevron-Konzern über eine deutliche Lockerung der Umwelt- und Sicherheitsstandards und boomenden Geschäfte freuen. Mit der Förderung von Schieferöl über die umstrittene Fracking-Methode sind die USA im vergangenen Jahr zum größten Ölproduzenten der der Welt aufgestiegen – noch vor Saudi-Arabien. Dekarbonisierung und alternative Kraftstoffe sind für die amerikanische Ölindustrie damit aktuell kein Thema.