E-Call Daten für alle

Opel OnStar Foto: Opel

Der Gesetzgeber sollte dafür sorgen, dass nicht nur die Autohersteller Zugang zu den vom Notrufsystem übermittelten Daten haben, meint Mobilitätsexperte Raimund Wagner.

Seit April 2018 müssen alle neu homologierten PKW und leichten Nutzfahrzeuge mit e-Call ausgerüstet sein. Das automatische Notrufsystem ist zwar als schlafendes System konzipiert, de facto ist jedoch jedem Fahrzeug eine eigene ID zugeordnet. Jedes Fahrzeug hat somit – gesetzlich vorgeschrieben – alle Voraussetzungen, um Daten aus dem Fahrzeug zu senden. Das ermöglicht Fahrzeugindustrie und Dienstleistern attraktive Business-Modelle, wie aktive Serviceeinladungen der Werkstatt, automatisierte Fahrtenbücher bis zu gezielten Werbeangeboten. Die Daten von vernetzten, irgendwann sogar autonom fahrenden Autos sind das Gold der Zukunft und für alle Branchen hoch interessant. Wer dazu Zugang hat, besitzt einen klaren Wettbewerbsvorteil. Daher muss sichergestellt werden, dass nicht nur die Fahrzeughersteller, sondern auch andere Marktakteure – seien es Automobil-Markenhändler, freie Werkstattbetriebe oder auch Mobilitätsdienstleister aller Art – gleichberechtigten Zugang zu diesen Daten erhalten.

Die Automobilhersteller betonen zwar immer wieder, dass der Kunde der Besitzer seiner Fahrzeugdaten ist, doch sie geben Kunden nur Einblick in die Daten, jedoch keine Kontrolle darüber. Deshalb muss die EU-Kommission gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen. Ganz wichtig: Der Besitzer des Autos muss wählen können, wem er wozu und wie lange definierte Daten aus dem Fahrzeug zur Verfügung stellen will.

Nach dem Abgasskandal ist es höchste Zeit für die Automobilindustrie, das Ruder der Glaubwürdigkeit und des Vertrauens herumzureißen! Eine gute Chance wäre, den Kunden die absolute Datenhoheit über alle Daten aus ihrem vernetzten Fahrzeug zu geben. Die Automobilindustrie muss Privacy auch als Chance zur eindeutigen Differenzierung zu den IT-Giganten wie Apple, Google und Co. nutzen. Dazu benötigt es Mut der Manager. Der Nobelpreisträger Hermann Hesse formulierte dies sehr treffend: "Leute mit Mut und Charakter sind den anderen Leuten immer sehr unheimlich." Nicht nur die Automobilbranche benötigt dringend solche Leute. Die Konsumenten werden sehr schnell sehen und bewerten können, wie viel Mut und Charakter das Management der Automobilkonzerne hat. Dies könnte ein erster Schritt zur Rückgewinnung von Glaubwürdigkeit und Vertrauen bei den Konsumenten sein.

Zum Autor

Der Mobilitäts- und Digitalisierungsfachmann Raimund Wagner berät mit seiner Firma Carsulting Unternehmen, optimiert Prozesse und entwickelt für sie Strategien. Seit 2016 veranstaltet er jährlich den Fachkongress Vernetzte Mobilität.