Elektromobilität im Firmenfuhrpark Risken, Chancen und Perspektiven

Foto: Shell Recharge Solutions

Die Integration von E-Mobilität in Fuhrparks gehört zu den größten Herausforderungen für Firmen. Im Interview erläutern die Experten Paul Rheborg und Joachim Lubsczyk von der Unternehmensberatung Alvarez & Marsal worauf es wirklich ankommt.

Die Zahl der E-Fahrzeuge in Firmenflotten steigt. Doch nicht immer läuft alles reibungslos. Im exklusiven firmenauto-Interview teilen die Experten Paul Rheborg, Senior Director und Joachim Lubsczyk, Managing Director von der Unternehmensberatung Alvarez & Marsal ihre Erfahrungen und ihr Wissen. Sie erörtern die Vorzüge elektrischer Dienstwagen, beleuchten die Hürden bei der Umstellung und zeigen auf, wie Unternehmen ihre Mitarbeiter am besten vorbereiten. Außerdem: Ein Blick auf die politischen Rahmenbedingungen.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Entwicklung der Elektromobilität in Firmenfuhrparks und welche Vorteile sehen Sie für Unternehmen, die auf elektrische Dienstwagen setzen?

Die Herangehensweise an die Umstellung der Firmenflotte auf EV ist sehr unterschiedlich. In der breiten Masse zeigt sich aber eher ein Herantasten als eine konsequente Umstellung auf vollständig batteriebetriebene Fahrzeuge, was aber auch mit den verbundenen Herausforderungen zusammenhängt. Hybridfahrzeuge haben bereits großflächig in die Pkw-Firmenfuhrparks Einzug gehalten, wofür aber im Wesentlichen die steuerliche Incentivierung verantwortlich sein dürfte. In vielen Fällen hat dies leider zu dem Paradoxon geführt, dass steuerlich begünstige Hybridfahrzeuge nie eine Steckdose gesehen haben und der positive ökologische Effekt damit nicht ausgeschöpft werden konnte. Vorteile einer Umstellung auf batteriebetriebene Fahrzeuge zeigen sich beim geringeren Wartungsbedarf, also geringeren Fuhrparkkosten, einem potenziellen Imagegewinn bei Mitarbeitern und im Marktumfeld und einem Steuervorteil für die Mitarbeiter.

Welche Herausforderungen sehen Sie für Unternehmen bei der Umstellung auf Elektromobilität in ihren Fuhrparks, insbesondere hinsichtlich der Ladeinfrastruktur und Reichweite der Fahrzeuge?

Für den klassischen Führungskräfte-Dienstwagen, der in erster Linie für die tägliche Strecke zwischen Arbeitsplatz und Wohnstätte eingesetzt wird, bietet der aktuelle Stand der Technik keine Argumente gegen eine Umstellung. Ladestationen am Arbeitsplatz sind meist problemlos zu installieren und die Reichweite deckt gewöhnlich leicht die doppelte Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsplatz ab. Auch gelegentliche weitere Fahrten zu Kunden und zum Flughafen sind mit den momentanen Reichweiten leicht abzudecken.

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Joachim Lubsczyk, Managing Director bei Alvarez & Marsal

Die Herausforderungen für Anwendungsfälle, bei denen regelmäßig weite Strecken zurückgelegt werden müssen, sind aktuell noch wesentlich komplexer. Hier sind Verbrenner in den Punkten Flexibilität, Verlässlichkeit und Zeitaufwand weiterhin mit Abstand ungeschlagen. Elektrofahrzeugen werden weiterhin einen wesentlich höheren Planungsaufwand erfordern, um Ladezeiten effizient in den Arbeitsalltag einzubinden und unproduktive Zeiten aufgrund von Ladevorgängen zu vermeiden. Hier sind die Hersteller gefordert, ihre Kunden durch entsprechende Tools zu unterstützen, mit denen einfach Reisepläne erstellt werden können.

Was ist mit der Abrechnung der Ladekosten?

Neben der Ladeinfrastruktur kommt noch die aktuell bestehende Herausforderung der Ladeverrechnung hinzu. Bisher ermöglichen nur wenige Anbieter ein landesgrenzen- und anbieterübergreifendes Zahlungssystem. Die erforderlichen Standards für das Management und die Abrechnung eines Fuhrparks existieren noch nicht und müssen erst etabliert werden.

Eine weitere Herausforderung betrifft mittelfristig sicher auch die Frage der Leasingraten und Restkaufwerte. Insbesondere bedingt durch die noch nicht final geklärte Haltbarkeit der Fahrzeug-Akkus hält sich die Nachfrage nach gebrauchten Stromern aktuell in Grenzen. Dies wirkt sich entsprechenden negativ auf Leasingraten und Restwerte aus.

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Paul Rheborg, Senior Director bei Alvarez & Marsal
Wie können Unternehmen sicherstellen, dass Mitarbeiter auf die Umstellung auf Elektrofahrzeuge vorbereitet sind?

Am Ende erfordert der Betrieb eines Elektrofahrzeuges ein anderes Nutzerverhalten und eine andere Erwartungshaltung des Nutzers. Wie bereits erwähnt, wird der Einsatz von BEV auf Mittel- und Langstrecken auf absehbare Zeit einen erhöhten Planungsaufwand erfordern. Hierauf müssen sich die Nutzer einstellen bzw. muss sichergestellt werden, dass durch geeignete Tools die Nutzung so komfortabel wie möglich ist.

Neben der nachhaltigen Erprobung des Betriebes sollte sichergestellt werden, dass der Antrieb zur Nutzung passt und die geeignete Infrastruktur vorhanden und auch mit einem perspektivischen Anstieg der Fahrzeugzahlen erweitert wird. Hier kann und muss das Fuhrparkmanagement unterstützen, um zu prüfen, ob der Use-Case „BEV“ gegeben ist, um in Folge eine Dysfunktionalität im späteren Betrieb zu vermeiden.

Welche Tipps und Empfehlungen haben Sie für Fuhrparkverantwortliche, die ihren Fuhrpark elektrifizieren wollen oder bereits damit begonnen haben?

Am Ende geht es darum, eigene und belastbare Erfahrungen zu sammeln und selbst festzustellen, wann welche Antriebstechnologie passt und langfristig eine Umstellungsstrategie zu entwerfen, die auch die Schaffung der erforderlichen Ladeinfrastruktur berücksichtigt.

Welche Rolle spielen die politischen Rahmenbedingungen und Förderungen in den verschiedenen Ländern und Regionen?

Dass steuerliche Anreize eine sehr gute Lenkungsfunktion besitzen, hat sich bereits beim sprunghaften Anstieg der Hybridfahrzeuge unter den Dienstwagen in den letzten Jahren gezeigt. Um die politisch gewünschte Transformation zur Elektromobilität zu erreichen, ist die Politik gefordert, auch auf europäischer Ebene zügig die Einführung von grenzübergreifenden Ladestandards zu forcieren. Ebenso müssen für die Errichtung der Ladeinfrastruktur weitere Anreize geschaffen werden und bürokratische Anforderungen auf ein Mindestmaß reduziert werden. Dies insbesondere unter dem Aspekt, dass der Ausbau und Betrieb der erforderlichen Ladeinfrastruktur während des Hochlaufs der Nutzerzahlen nur eingeschränkt profitabel sein dürfte.