Interview Capgemini Engineering Chinesische Autohersteller wachsen explosiv

Capgemini Engineering Peter Fintl 2023 Foto: Capgemini Engineering

Peter Fintl, Vice President Technology & Innovation bei Capgemini Engineering über Trends und Ziele der chinesischen Automobilbranche – und welche Auswirklungen das auf den deutschen Flottenmarkt hat.

Die Elektromobilität verändert die Automobilbranche nachhaltig und chinesische Unternehmen spielen dabei eine immer größere Rolle. Während etablierte Marken wie BYD bereits in Deutschland Fuß fassen, agieren Start-ups wie Xpeng, Nio und Li Auto eher im Hintergrund. Wir sprechen mit Peter Fintl und beleuchten die Hintergründe. Der langjährige Automobil-Experte analysiert das beeindruckende Wachstum von Nio und Li Auto und setzt es in Relation zu etablierten Branchengrößen wie Tesla oder BYD. Dabei geht es unter anderem um die Digitalisierung des Automobilsektors bis zur Bedeutung eines gut ausgebauten Vertriebsnetzes. Außerdem: Tipps für deutsche Autokäufer, die sich für Elektroautos interessieren, aber noch wenig über die chinesischen Marken wissen.

firmenauto: Chinesische Anbieter wie BYD erfreuen sich wachsender Bekanntheit in Deutschland. Gleichzeitig sind Start-ups wie Xpeng, Nio und Li Auto eher weniger bekannt. Warum ist das so?

Peter Fintl: Das explosive Wachstum der chinesischen Autoindustrie hat eine Vielzahl an Marken hervorgebracht. Mit der staatlichen Förderung der sogenannten New Energy Vehicles wurden weitere Anbieter aus der Taufe gehoben. Die meisten dieser Neueinsteiger haben sich zuerst auf den chinesischen Markt fokussiert. Ausnahmen sind Marken wie Nio, welche von der Strategie, Produktkonzeption und Kommunikation gleich den Weltmarkt im Auge hatten.

Die Absatzzahlen von Nio und Li Auto sind beeindruckend. Wie kommt das und wie Wettbewerbsfähig sind sie im Vergleich zu etablierten Marken wie Tesla oder BYD?

Bei vielen dieser neuen elektrischen Marken in China hat sich die Spreu bereits vom Weizen getrennt. Nicht alle gestarteten Marken konnten sich halten. Aber einige dieser Start-ups haben es geschafft, nicht nur innovative und massentaugliche Fahrzeuge zu entwickeln, sondern auch diese in guter Qualität zu produzieren und an den Käufer zu bringen. Auch wenn die absoluten Verkaufszahlen noch deutlich kleiner sind als jene der Platzhirsche, so ist es doch anzuerkennen, dass einige diese Hersteller bereits hunderttausende Fahrzeuge verkauft haben. Den Löwenanteil natürlich an chinesische Kunden. Wichtig dabei ist aber festzuhalten, dass gerade die Mittel- und Oberklassefahrzeuge dieser Player durchaus westlichen Ansprüchen genügen.

Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie, um auch in Deutschland eine relevante Rolle zu spielen?

Neben der Elektromobilität krempelt auch die Digitalisierung den Markt um. Die Konsumenten erwarten innovative digitale Funktionen im Fahrzeug – ganz wie sie es von ihren Smartphones gewohnt sind. Um dieses Features zu erhalten, sind viele Käufer auch eher bereit, sich einmal neue Marken anzusehen. Auch wenn es einige chinesische Hersteller schaffen, eine Aura – ähnlich Tesla – um ihre Fahrzeuge herum aufzubauen, so müssen doch die "Basics" stimmen. Dazu gehören gerade in Deutschland ein Vertriebs- und Servicenetzwerk, passende Finanzierungsinstrumente sowie ein Zugang zum wichtigen Flotten- bzw. Dienstwagenmarkt.

Gibt es Ihrer Meinung nach Raum für weitere Marktteilnehmer, die möglicherweise auch den deutschen Markt erobern könnten?

Die Mobilität von morgen bietet in jedem Falle Chancen für neue Marken. Digitale Erlebnisse, innovative Elektroantriebe oder exzellentes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten Raum, um sich zu differenzieren – und letztlich zu etablieren. Aktuell sehe ich hier als ernstzunehmende Herausforderer die Player aus China. Die amerikanischen Neueinsteiger in die E-Mobilität sind derzeit eher in Nischen zu verorten.

Wie nehmen deutsche Verbraucher chinesische Hersteller wahr? Welche Faktoren beeinflussen ihre Kaufentscheidung, und wie könnten die Start-ups mehr Akzeptanz zu gewinnen?

Viele Umfragen zeigen es: Gerade in Richtung von chinesischen Fahrzeugen ist die Begeisterung hiesiger Kunden derzeit noch begrenzt. Klar ist aber auch, dass viele der Produkte objektiv betrachtet interessante Alternativen für den Käufer darstellen können. Wichtig ist hier für die Start-ups, den richtigen Ton in der Kundenkommunikation zu finden. Die Hersteller haben bei vielen ihrer Produkte darauf geachtet, im Fahrzeugdesign auch den westlichen Geschmack zu treffen. Im Bereich der Fahrzeugbedienung – also des User-Interface-Designs – schimmern jedoch noch oft asiatische Bedienlogiken durch. Für die Neuanbieter ist es daher wichtig, die Kunden real in das Fahrzeug zu bringen. Neben dem Aufbau der Vertriebsorganisation sind dafür auch innovative Touchpoints wie Pop-up-Stores ein probates Mittel.

Abschließend, welchen Rat würden Sie deutschen Autokäufern geben, die sich für ein Elektroauto interessieren, aber bisher wenig über die chinesischen Marken wissen?

Die Auseinandersetzung mit den Produkten chinesischer Hersteller ist in jedem Falle interessant. Es gibt einige Bereiche, die einen genaueren Blick lohnen. Ich denke an das Einstiegssegment, aber auch in der Klasse der gehobenen Dienstfahrzeuge. Ein Besuch im Pop-up-Store und eine ausführliche Probefahrt können den automotiven Horizont erweitern.

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