In Zielitz betreibt Kali und Salz Deutschlands größtes Kalibergwerk. Für unvorstellbare Fördermengen fahren riesige Bagger durch den Berg – aber auch ganz normale Pick-ups. Und die müssen da unten ganz schön was aushalten.
Ach, mal wieder ein Fuhrparkporträt. Einblick in das Arbeiten anderer Unternehmen und deren Fahrzeugverwaltung. Zulassungsservice, Wechsel von Sommer- auf Winterreifen, alle zwei Jahre Hauptuntersuchung – doch all das gibt es hier im Kalibergwerk in Zielitz (Sachsen-Anhalt) nicht. Um zum Einsatzort zu kommen, geht es erst einmal mit 30 km/h 750 Meter senkrecht bergab, hinunter ins schwarze Nichts. Doch unten, am Ende des Schachts, dann ein völlig anderes Bild: Helle Neonröhren leuchten, eine breite, gepflasterte Straße führt in den Berg. Man fühlt sich wie im Tunnel. Es ist warm, irgendwoher weht Wind, und man wähnt sich wirklich nicht so weit unter der Erde, wie man tatsächlich ist.
Vorn an der Ecke stehen drei Mitsubishi L200 bereit. Einer mit Sitzen auf der Ladefläche, die anderen mit kurzer Kabine und extragroßer Pritsche hinten. Die weißen Autos sehen aus wie frisch geputzt. Doch kurze Zeit später sehen wir: Ein feiner weißer Staub hat sie eingepudert. Überall ist er, der Salzstaub, nichts ist vor ihm sicher.
Grubenmaschineningenieur Friedrich Horch führt uns zu seinen Autos. Sie zählen zu den kleinsten Gefährten hier unten, müssen aber jede Menge aushalten. "Wir haben Steigungen und Gefälle zwischen 25 und 28 Prozent sowie bis zu 15 Prozent Querneigung", sagt Horch. Das beansprucht die Geräte ebenso hart wie der allgegenwärtige Salzstaub. Passende Autos für diese Bedingungen zu finden, ist eine Herausforderung. Der Elektronik tut die salzige Luft nicht besonders gut, deswegen soll so viel wie möglich mechanisch laufen. "Autos ohne elektrische Fensterheber und Klimaanlage zu bekommen, ist gar nicht so leicht", so Horch. Außerdem muss die Mechanik haltbar sein. Zuladungsgrenzen interessieren im Bergbau nicht. Die Straßen abseits des Hauptschachts sind nicht mehr gepflastert, sondern uneben und dunkel. Bei den Pick-ups handelt es sich überwiegend um Mitsubishi L200. Seit 2010 hat das Autohaus Peter weit über 300 Fahrzeuge in die Tiefe geliefert. Nach oben kommen die Mitsubishi nie wieder. Sie transportieren die Bergleute zu ihren Arbeitsplätzen, dorthin, wo sie Sprenglöcher in das Flöz bohren. Sie kämpfen sich, voll beladen mit Werkzeug und Ersatzteilen, zu den riesigen Baggern oder zur Erkundung fern abgelegener Abbaugebiete. Manche Autos legen unterirdisch bis zu 50.000 Kilometer jährlich zurück.
"Radaufhängungen und Bremsen sind bei uns die häufigsten Verschleißteile", sagt Matthias Koepper. Er ist für die Werkstatt hier unten verantwortlich, seit über 25 Jahren in der Tiefe tätig. Alle 6.000 Kilometer sind die Bremsen fällig. Bevor ein Auto hier eingesetzt wird, muss es harte Tests bestehen. Daran scheiterten größere Pick-ups aus den USA, deswegen müssen jetzt die L200 herhalten. Außerdem sind noch einige Jeep Wrangler im Einsatz, als Cabrio, zur Beschauung der Decken durch die Grubeningenieure. In der Werkstatt sind noch einige Mercedes G-Modelle zu sehen, die aber nach und nach von den Mitsubishi ersetzt werden. Sechs Hebebühnen stehen für Wartung und Reparatur bereit. An einen Stollen erinnert hier außer dem Salzstaub wenig. Helles Licht, fester Boden, lichte Decken: beste Arbeitshallenatmosphäre. Alle 5.000 Kilometer steht ein Service an, einmal jährlich kommt die Dekra und überprüft die Betriebssicherheit aller Fahrzeuge. Einmal hatten sie hier unten einem L200 einen sehr großen Kran auf die Ladefläche gebaut, da war von 3,5-Tonner keine Rede mehr. Irgendwann hat auf den harten Straßen der Rahmen angefangen nachzugeben – seitdem schweißt das Autohaus vor der Auslieferung eine Verstärkung ins Profil. Seither gibt es auch bei massiver Überladung keine Probleme mehr.
Außerdem hilft dem Motor ein Saugrüssel mit Feinstaubluftfilter beim Atmen, denn das weiße Gold kriecht wirklich überallhin, selbst in die kleinsten Ritzen. Nur für diesen Einsatz baut Mitsubishi dem L200 manuelle Fensterheber ein, eine Sonderanfertigung des Werks in Thailand. Außerdem kommen viele Autos ganz ohne Ladefläche nur als Fahrgestell in Deutschland an, das Autohaus baut dann die Kippladeflächen auf. So viel Flexibilität bietet nicht jeder Autohersteller seinen Kunden.
Auf dem Weg aus der Werkstatt in die Stollen wird es dem Fotografen und mir fast schwindelig. Zwar gilt ein Limit von Tempo 50, doch das ist bei holprigen Straßen, steilen Bergen und engen Kurven ein wahrer Affenzahn. Wer einmal mitfährt, wundert sich nicht mehr über die kurzen Wartungsintervalle. Es geht links und rechts und geradeaus, nach wenigen Biegungen ist die Orientierung gemeinsam mit dem Umgebungslicht völlig verschwunden. Unsere Begleiter kennen den Weg. "Ein gutes halbes Jahr braucht man mindestens, um sich hier auf seinen regelmäßigen Strecken zurechtzufinden", erläutert Matthias Koepper. Kein Wunder bei mehreren Tausend Kilometer Wegstrecke und nur rudimentären Wegweisern an der Wand.
Damit kein Kumpel irgendwo vergessen wird, gibt es zahlreiche Sicherheitssysteme. Bei der Einfahrt in ein bestimmtes Gebiet müssen alle Fahrzeuginsassen eine Liste ausfüllen und ihr Märkchen an eine Tafel hängen – bei der Ausfahrt nehmen sie es wieder mit. Alle Autos fahren übrigens mit Diesel. Es gibt viele Tankstellen hier, 10.000-Liter-Kanister kommen mit dem Lastenlift nach unten, große Lkw verteilen den Sprit.
Es gab auch Versuche mit einem zum Elektroauto umgebauten Pick-up – doch beim Einsatz im Schichtsystem rund um die Uhr fehlt schlicht die Zeit zum Laden. So müssen die Diesel herhalten, und anscheinend kommen sie gut mit den Einsatzbedingungen zurecht. "Wir können die Partikelfilter manuell freibrennen, müssen es aber so gut wie nie tun. Die Technik funktioniert gut", meint Koepper.
Nach einer Begegnung mit einem beängstigend großen Radlader (in eine Schaufel passen weit über 20 Tonnen Salzgestein) fahren wir inzwischen wieder zurück. Es ist warm und dunkel. Ah, da vorn läuft das Förderband mit den Kalisalzen. Es arbeitet rund um die Uhr. Wir nehmen die letzten Meter zu Fuß, reihen uns ein in die Schlange vor dem Aufzugschacht und fahren wieder ins Licht. Zurück in die Normalität der straßenzugelassenen Fuhrparks.
Kalibergwerk Zielitz
Auf über 60 Quadratkilometern und in Tiefen zwischen 400 und 1.300 Metern baut Kali und Salz das weiße Gold ab: Kalisalze für die Düngemittelproduktion. Zwölf Millionen Tonnen im Jahr, 41.000 Tonnen oder 1.500 Lkw-Ladungen am Tag. Für die Düngemittelproduktion verarbeiten die Fabriken vor Ort diese Rohstoffe zu über zwei Millionen Tonnen Endprodukten, die überwiegend per Bahn und mit Binnenschiffen in alle Welt gelangen. Der Rest landet auf Monte Cali, einem eindrucksvoll hohen Berg von Salz.