Test: Mercedes e-Vito Tourer/Opel Zafira-e Life Die leisen Riesen

Mercedes e-Vito Tourer 2020 Opel Zafira-e Life 2020 Foto: Karl-Heinz Augustin 37 Bilder

Für Shuttledienste sind Großraum-Vans die erste Wahl. Mit leisen Motoren und üppigen Akkus locken besonders die Elektrovarianten. Wie schlagen sich ­Mercedes e-Vito Tourer und Opel Zafira-e Life im Vergleich?

Flughafen, Hotel, Bahnhof, Büro: Die Ziele von ­Shuttlediensten wiederholen sich häufig, nur die Fahrgäste sind jedes Mal andere. Warum sollten sie solche planbaren Fahrten also nicht elektrisch absolvieren?

Um diese Frage zu beantworten, haben wir uns die zwei Shuttlebusse mit den größten Akkus heraus­gegriffen. Der Mercedes e-Vito Tourer verstaut üppige 100 kWh im Unterboden ohne Einbußen im Inneren. Der Opel Zafira-e Life will innen mit Pkw-Ambiente überzeugen, bunkert aber nur 75 kWh Strom. Auf den ersten Blick sieht man den beiden ihren leisen Antrieb nur am E-Kennzeichen an.

Der Mercedes überzeugt mit Reichweite

Wir steigen zuerst in den Mercedes ein. Schwarzes Hartplastik, ein Doppel-DIN-Farbmonitor und der schwarz-weiße Bordcomputer verraten die Transporterbasis. Zum Starten drehen wir nach alter Tradition den Schlüssel im Schloss nach rechts und legen den Gang per Wähl­hebel ein. Jetzt noch die per Fußtritt arretierte ­Feststellbremse lösen – und das analoge Benz-Gefühl weicht modernem Elektroauto-Flair.

Mercedes e-Vito Tourer 2020
Wir gehen vom Strompedal, und der Mercedes rollt und rollt und will gar nicht mehr aufhören.

In unserem Fahrzeugschein stehen 2,8 Tonnen Leergewicht, der maximal 204 PS starke E-Motor macht sich nichts daraus. Es geht flott voran. Das hohe Gewicht stört kaum, erst bei nicht mehr fahrgasttauglichem Fahrstil fangen die breiten 17-Zöller an zu quietschen, und das ESP bremst ein. Auf der Autobahn fährt der Kleinbus souverän, die Dämmung hält Fahrgeräusche effizient draußen. Bis Tempo 160 geht die Hatz, dafür verlangt Mercedes 154 Euro, sonst ist bei 140 km/h Schluss. Wir gehen vom Strompedal, und der Mercedes rollt und rollt und will gar nicht mehr aufhören. Das verdankt er seiner per Lenkradpaddel in fünf Stufen einstellbaren Rekuperation, die gerade ausgeschaltet ist. Auf der stärksten Stufe hat das Bremspedal Pause, und wer den Abstandstempomaten bestellt, profitiert von einer intelligent automatisch regelnden Rekuperation. Auf langen Strecken drücken die schmalen Sitze von der Seite, das Navi nervt mit fehlender Ladeplanung, aber sonst klappt alles astrein. Der Bordcomputer informiert höchst zuverlässig über die verbleibende Reichweite, über 300 Kilometer sind auch bei Autobahntempo 120 drin.

Opel Zafira-e Life 2020
Mit maximal 136 PS geht es im Zafira gemächlich voran, bei Tempo 130 endet der Vortrieb.

Davon kann der Opel mit seiner kleineren Batterie nur träumen, doch der Reihe nach. Der Zafira-e wirkt mit seinen Ledersitzen und dem Teppichboden etwas nobler als der Benz. Doch der Eindruck trügt. So ist das Bordcomputerdisplay zwar farbig, die Reichweitenanzeige darauf jedoch stets zu optimistisch. Bei vollem Akku zeigt sie unabhängig von der vorhergehenden Fahrweise immer das Gleiche an. Immerhin reicht der Strom für über 200 Kilometer, das genügt den meisten Shuttlediensten. Das gegenüber dem Mercedes um rund 400 Kilogramm niedrigere Gewicht macht sich auf Landstraßen positiv bemerkbar. Der Opel fährt deutlich agiler, ohne dabei unkomfortabler zu sein. Das gilt allerdings nur fürs Kurvenverhalten. Mit maximal 136 PS geht es gemächlich voran, bei Tempo 130 endet der Vortrieb. An Steigungen merkt man: Viel mehr wäre auch ohne Abriegelung nicht drin.

Ähnlich schlaff ist die Rekuperation. Standard­mäßig verzögert der Opel leicht, wenn man vom Fahrpedal geht, das Rollenlassen gelingt hier nicht so leicht. Die Rekuperation lässt sich einstufig stärker stellen, das Bremspedal muss aber auch dann noch häufiger bemüht werden. Einen Abstandstempomaten gibt es leider weder gegen Geld noch gute Worte, dafür überzeugen die Sitze auf allen Plätzen mit ordentlichem Komfort. Außerdem gibt es einige clevere Detaillösungen: Die Heckscheibe öffnet separat und ermöglicht so das Zuladen von Kleinkram, ohne die riesige Heckklappe zu öffnen. Außerdem gleiten die Sitze in ihren Schienen wie von selbst an ihren Platz, und der Fahrer hat seine Passagiere mittels eines kleinen Spiegels stets im Blick.

Günstiger Opel mit cleveren Details

Beim ersten gemeinsamen Ladestopp folgt dann der Blick in die Preislisten. Wir wollen gutes Licht, zwei elektrische Schiebetüren, Sitzheizung samt Komfortsitzen, acht Sitze auf Schienen, Klimaanlage, Navi, Rückfahrkamera und Tempomat haben. Und jetzt kommt die wahre Stunde des Opel: Obwohl er als noblere Pkw-Variante antritt, spart er gegenüber dem Mercedes bares Geld. In vergleichbarer Ausstattung ist er 9.000 Euro günstiger als der e-Vito. Spätestens dann muss man sich überlegen, ob es den ausgefeilteren Antriebsstrang samt besserer Langstreckentauglichkeit des Mercedes wirklich braucht. Wer darauf verzichten kann, wird auch mit dem Opel glücklich werden.

Reichweite und Laden

Die beiden Vans gehen mit verschiedenen Voraussetzungen ins Rennen: Die Akkus des Mercedes fassen mit 100 kWh deutlich mehr als die 75-kWh-Batterie des Opel. So verwundert es kaum, dass der e-Vito mit einer Akkuladung 80 Kilometer weiter kommt. Über Nacht an der Wallbox laden beide Busse mit 11 kW und sind so am nächsten Morgen wieder einsatzfähig. Wenn es schnell gehen muss, ist wieder der Mercedes im Vorteil.

Mercedes e-Vito Tourer 2020 Foto: firmenauto

Er lädt mit maximal 110 kW und damit kaum schneller als der Opel mit 100 kW – aber er hält diese hohe Leistung wesentlich länger durch. Während der Opel schon bei 20 Prozent Akkustand nachlässt, sinkt die Leistung beim Mercedes erst bei über 40 Prozent unter die 100-kW-Marke. Wer mit 5 Prozent Restakku an die Schnellladesäule fährt, erreicht 80 Prozent Akkuladung bei beiden nach etwa 40 Minuten Standzeit. Bis zum nächsten Ladestopp schafft der Mercedes dann etwa 240 Kilometer.

Opel Zafira-e Life 2020 Foto: firmenauto

Der Opel muss bereits 60 Kilometer früher wieder an die Säule. Dort fummelt man dann mit Gummiabdeckungen an dünnen Bändchen herum, während beim e-Vito solide Klappen Zugang zu den Steckern gewähren. Außerdem muss beim Opel ins Ladekabel investiert werden: Das serien­mä­ßige schafft nur 3,7 kW.

Alltagstauglichkeit

Hier zeigen sich beide Konkurrenten von ihrer besten Seite. Mehr Nutzwert lässt sich auf rund fünf Meter Länge kaum unterbringen. Mit steilen Karosserieenden und passablen Wendekreisen werden auch Innenstädte nicht zum Problem, und die bis zu sieben Passagiere genießen üppige Bewegungsfreiheit. Der knapp 20 Zentimeter längere Mercedes bietet etwas mehr Beinfreiheit als der Opel. Auf den vorderen Sitzen schenken sich die beiden nicht viel; beide haben eine zu kurze Sitzfläche, die sich in der Neigung verstellen lässt. Beim Mercedes fallen die Sitzkissen etwas zu schmal aus. Der Opel überzeugt mit mehr und vor allem geschlossenen Ablageflächen. Auch beim Stauraum profitiert der Mercedes von seinem Längenvorteil. Beim Opel rutschen die Sitze auf den Schienen deutlich ruckelfreier als im e-Vito, außerdem klappen sie leichter nach vorn und sind etwas leichter. Wer die Zweiersitzbänke ausbauen will, braucht dennoch Hilfe; allein sind die wuchtigen Sitze einfach zu schwer. Wem die beiden Kandidaten übrigens immer noch nicht geräumig genug sind: Beide gibt es noch in längeren Varianten. Der Mercedes misst dann mit 5,37 Metern noch einmal 23 Zentimeter mehr, der Opel streckt sich auf maximal 5,30 Meter. So passen dann auch acht Personen samt sperrigem Gepäck in die Vans.

Mercedes e-Vito Tourer 2020 Opel Zafira-e Life 2020
Bei der Alltagstauglichkeit zeigen sich die Konkurrenten von ihrer besten Seite.

Ausstattung

Klar, wir vergleichen hier die Nutzfahrzeugausführung des Mercedes mit der feinen Opel-Variante. Das macht sich vor allem bei der Serienausstattung bemerkbar: Der Zafira-e bringt serienmäßig zwei Schiebetüren, ein Infotainment samt Smartphone-Anbindung, Sitzheizung und Klimaautomatik mit. Beim Mercedes kostet selbst die Klimaanlage Aufpreis. Immerhin gibt es im e-Vito einen sehr gut funktionierenden Abstandstempomaten für 916 Euro Aufpreis.

Empfehlenswert sind die elektrischen Ausstellfenster, die für 388 Euro zugfrei Frischluft nach innen bringen. Das ILS-Licht (1.687 Euro) blendet den Gegenverkehr aus dem Fernlicht aus – Opel kann damit nicht dienen. Schnellladen mit 110 kW kostet 494 Euro, Die 17-Zoll-Alufelgen sind Serie. Beim Opel gibt es nur einen einfachen Tempomaten, die elektrische Park­bremse erhöht den Komfort. Elektrische Sitze sind bei der Elegance-Ausstattung inklusive, genau wie die Aluräder. Xenon kostet 756 Euro.

Multimedia

Hier kommt klar heraus, dass wir es im Grunde mit Transportern zu tun haben. Das Audio 40 genannte System des Mercedes (1.365 Euro) ist langsam, die Sprachsteuerung versteht wenig, und das integrierte Navi kann nur per 3-D-Ansicht navigieren. Dabei bezieht es die Ladeplanung nicht in die Routenberechnung ein, kann Ladesäulen nicht nach Leistung aufschlüsseln und verschweigt zudem, ob sie gerade frei sind. Besser ­Android Auto oder Apple Carplay nutzen – das kann auch das Audio 30 für 958 Euro. Der Opel macht es kaum besser. Auch hier kann man sich das Navi (823 Euro) sparen, denn es berechnet die Route ohne Zwischenladungen. Ladesäulen listet es auf, aber auch hier lässt sich weder Leistung noch Belegung erkennen. Opel empfiehlt dazu eine Smartphone-App. Auch hier gilt: lieber gleich per Smartphone navigieren. Das klappt bei beiden problemlos, allerdings nur bei angeschlossenem USB-Kabel. Die drahtlose Einbindung bleibt den modernen Pkw beider Marken ­vorbehalten.

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