Vergleichstest Hyundai Ioniq 5, Polestar 2, VW ID.5 Einer genügt

Hyundai Ioniq 5 Polestar 2, VW ID.5 2022 Foto: Hand-Dieter Seufert 30 Bilder

Einmotorige Elektroautos kosten weniger, schaffen mehr Reichweite und sind trotzdem dynamisch. Wer aber bietet das bessere Konzept: Hyundai Ioniq 5 und VW ID.5 mit Hinterrad- oder Polestar 2 mit Vorderradantrieb?

Sicher, so ein Allradantrieb ist schon praktisch. Vor allem auf zugeschneiten Straßen oder verregneten Pisten und überall dort, wo es eben sonst noch rutschig ist. Aber ganz ehrlich: Wo schneit’s bei uns denn noch regelmäßig? Höhenlagen mal ausgenommen. Auf den meisten Strecken fahren wir die Allrad­teile – die übrigens auch kaputtgehen können – also eh bloß spazieren und brauchen dafür auch noch mehr Energie. Ganz abgesehen vom höheren Anschaffungspreis. Kein Wunder, dass die als Geschäftswagen meistverkauften Ioniq 5 oder VW ID.5 die Versionen mit Heckantrieb sind.

Besonders beim Elektroauto ist der Antrieb aber ein heikles Thema, weil die Stromvehikel dazu in der Lage sind, immer, überall und dann auch noch sofort hohe Drehmomentgebirge aufzutürmen. Hier ist Allrad sinnvoll, weil spürbarer Schlupf beinahe ausgeschlossen ist. Allerdings muss man dafür immer eine zusätzliche Maschine mitschleppen. Inzwischen ist die Leistungsannahme mittels elektronisch gesteuerter Fahrpedale jedoch meist etwas abgesoftet, sodass auch grobmotorisch eingestellte Gasfüße mit einachsigem Antrieb schlupfreduziert losfahren können. Stellt sich bloß noch die Frage, ob Vorder- oder Hinterradantrieb.

VW ID.5 2022 Foto: Hans-Dieter Seufert
Der ID.5 ist fast 4,60 Meter lang.

VW ID.5 – der Komfortable

Starten wir mit dem Newcomer im Testtrio, dem VW ID.5. Wobei neu eigentlich nur die Karosserieform ist, denn der fast 4,60 Meter lange SUV-Coupé-Crossover baut auf dem ID.4 auf, hat also Motor und Antrieb an der Hinterachse. 150 kW und 310 Nm leistet die PSM-Maschine, die den gut 2,2 Tonnen schweren Koloss in 3,2 Sekunden auf Stadtgeschwindigkeit beschleunigt und ihn im B-Modus mit bis zu 0,3 g oder 100 kW Rekuperationsleistung wieder verzögert.

Echtes Einpedalfahren ist das aber nicht, denn für den finalen Stopp muss man die mechanische Bremse treten. Stellt man den vom Lenkrad leicht verdeckten Fahrschalter auf D, rekuperiert das System hingegen nicht, sondern lässt den Trumm rollen, was vor allem auf der Autobahn oder bei Überlandfahrten Sinn ergibt. So kann man Strom sparen (Verbrauch auf defensiver Normrunde: 19,1 kWh/100 km) und damit nicht nur die Fahrtkosten reduzieren, sondern auch die Verweildauer an der Ladesäule. Dort befüllt der ID.5 seinen brutto 82 kWh großen Akku mit bis zu 135 kW Leistung. Im Ladetest an der HPC-Station kommt der ab 41.150 Euro teure und damit preislich schon recht volksferne Volkswagen auf einen hohen Ladeschnitt (siehe Ladekurven-Datenblatt). Tankpausen fallen also recht kurz aus.

VW ID.5 2022 Foto: Hans-Dieter Seufert
Luftiges Cockpit mit kleinen Instrumenten und größerem Touchscreen in der Mitte. Seit dem Softwareupdate berechnet der VW Routen und Ladestopps einwandfrei.

Überhaupt muss der VW auf der Langstrecke nie lange am Kabel hängen, da die jüngst überarbeitete Routen- und Ladeplanungssoftware (Stand: 3.1.0) im Test einwandfrei funktionierte – bis auf einen dreiminütigen Komplettausfall. So berechnet das System neben der schnellsten Route auch die nötigen Ladestopps. Es prognostiziert ziemlich genau den Batteriestand (SoC) bei Ankunft an der Stromtankstelle und wie viele Minuten geladen werden muss, um mit einem zuvor vom Fahrer definierten Reichweitenpuffer ans nächste Zwischen- oder Endziel zu gelangen. Außerdem aktualisiert der Bordcomputer die Route ständig auf Basis von Verkehrsinformationen und ist dabei oft fixer als Google Maps. Neu ist, dass man vom Computer gewählte Ladestationen gegen andere, nahe gelegene Stationen tauschen kann, zum Beispiel, um günstiger Strom zu zapfen. Außerdem zeigt das kleine, mit der Lenksäule verbundene Instrumenten­display ab sofort mehr Infos zu SoC- und Verbrauchsdaten an.

Hinterm Testwagenlenkrad hat man’s bequem auf wegen des Halbleitermangels aktuell nicht konfigurierbaren Ergo-Active-Sitzen. Zwischen den Stühlen bleibt Platz für ein ordentliches Getränkearsenal sowie mehrere Smartphones. Die Bezahlkarte vom Ladestromanbieter passt prima in einen der Schlitze unter den Luftausströmern. Bequem haben es auch die Passagiere in Reihe zwei mit gut nutzbarer Beinauflage und tiefem Fußboden. Allerdings fallen Einstieg und Raum überm Kopf etwas knapp aus.

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Etwas vergessen? Ja, das Gepäck. Wobei das flacher abfallende Dach gar nicht so sehr einschränkt und man bei umgeklappten Sitzen richtig viel laden kann – für 1.369 Euro im Paket auch trennnetzgesichert. Standard ist das flache Kabelfach unterm Ladeboden, denn im Bug des ID.5 war kein Platz mehr. Wenn’s dumm läuft, muss man das darüber gehäufte Gepäck an der Stromtankstelle ausladen, um ans Kabel zu kommen.

Auf frisch asphaltierten Wegen fällt das hohe Gewicht des VW kaum auf, denn die adaptiven Dämpfer (Sportpaket Plus für 966 Euro) filtern Unebenheiten gut, obwohl dazwischen ungefederte Massen in Form von sportlich bereiften 21-Zoll-Rädern (1.285 Euro) montiert sind. Reduziert man das Tempo und konfrontiert das Fahrwerk mit Fugen und Kanten, reagiert die Hinterachse weniger fein. Auf zügig gefahrenen Landstraßen passt das Set-up, findet der ID.5 einen guten Kompromiss aus Komfort und Dynamik und verkneift sich allzu große Karosseriebewegungen.

VW ID.5 GTX Test (2022)
So fährt der sportliche VW-Stromer

Müssen wir noch viele Worte über die reduzierte, ablenkende Touchbedienung des VW verlieren? Wahrscheinlich kaum, denn eigentlich ist alles gesagt. Bloß zur Erinnerung: keine Direktwahltasten, Klima- und Lautstärke-Slider ohne Beleuchtung, nur zwei Taster nebst Umschalt-Touchfläche für vier Fenster.

Polestar 2 2022 Foto: Hans-Dieter Seufert
Polestar 2: Limousinenoptik dank flachem Heck.

Polestar 2 – die Sportlimousine

Okay, auch so ein Polestar-Cockpit ist touchdominiert, und die Tasten auf dem Lenkrad sind nicht beschriftet. Allerdings sind die Menüs hier grafisch übersichtlicher aufbereitet und die Funktionsflächen auf dem Bildschirm so groß angelegt, dass die Treffsicherheit steigt. Abgesehen davon ist der Zweier eine ganz andere Sorte Auto. Zwar ähnlich breit und lang wie ein ID.5, jedoch deutlich flacher, kantiger, innen enger, die Passagiere mehr ins Auto einbindend. Und so fühlt er sich auch hinterm Lenkrad an: straff und sportlich, weil Gefühl und Dosierbarkeit am und mit dem Bremspedal klarer sind.

Im Vergleich zum VW ist er steifer und auch eine Spur spartanischer, weil Abroll- und Windgeräusche höher liegen und das nicht verstellbare Fahrwerk mit straffem Set-up und nur mäßig gedämpfter Hinterachs-Zugstufe jeden Teerflicken nach oben kommuniziert, statt auch nur den Versuch zu unternehmen, ihn zu verheimlichen. So kurvt man zügig und zielgenau, kann das Heck durch kleine Lastwechselimpulse spielerisch zum Mitlenken motivieren, hat an dieser Stelle aber einen Nachteil: den Vorderradantrieb. Der vergrößert nicht nur den Wendekreis, sondern zupft bei höheren Lasten auch noch ordentlich an der Ultra-High-Performance-Bereifung.

Polestar 2 2022 Foto: Hans-Dieter Seufert
Der Polestar bindet den Fahrer ­besser ein, ist aber enger ­geschnitten als die anderen.

Weil unser Testwagen das letzte Softwareupdate P2.2 knapp verpasst hat (Stand P2.1), sind nicht alle neuen Funktionen an Bord. Neben der Verbesserung von Effizienz, Assistenz und Anzeigen soll es endlich auch eine Apple-Carplay-Integration geben, die wir dann beim nächsten Test ausprobieren werden.

Auch die Google-basierte Routenplanung überzeugt nicht wirklich. Häufig schlägt das System abseits der Strecke liegende Schnelllader vor, obwohl andere Zapfstellen besser erreichbar wären. Dafür lassen sich im Filter Ladebezahldienste einstellen, was mögliche Überraschungen auf der Rechnung verhindert.

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Nichts geändert hat sich selbstverständlich an der Hardware des Kofferraums mit im Vergleich geringem Ladevolumen (446 bis 1.095 Liter) sowie dem flotten Ladetempo. 150 kW Spitzenleistung sind mit dem großen Akku (75 kWh netto) möglich, wobei die Power ab 50 Prozent SoC schnell unter die 100-kW-Marke und tiefer abfällt. Das drückt den Schnitt so weit, dass der Polestar an der Stromtankstelle vom ID.5 überholt wird, obwohl der mit weniger Spitzenleistung, aber eben mit höherer Konstanz lädt.

Das passiert auf der Straße nicht, denn mit Durchzug, Elastizität und Ansprechverhalten liefert der ­einmotorige Polestar nicht nur objektiv die besseren Werte, sondern er macht sie auch im Fahrersitz ­erlebbar.

Alternative: Polestar 2 mit 300 kW

Für 6.470 Euro Aufpreis gibt es den 408 PS starken Polestar 2 Dual Motor mit zwei E-Motoren, Allradantrieb und dem gleichen, 75 kWh (netto) großen Akku. Auch er hat nur eine Fahrstufe, also keinen Sport- oder Eco-Modus. Macht aber nichts: Der starke Polestar gehört trotz der hohen Leistung nicht zu den hibbeligen Modellen, die Beschleunigung lässt sich fein dosieren. Allrad­antrieb und Mehrleistung kosten nur unwesentlich mehr Energie (Verbrauch Normrunde: 18,0 kWh).

Polestar 2 2022
Hyundai Ioniq 5 2022 Foto: Hans-Dieter Seufert
In Sachen Handling und Agilität fährt der Hyundai den beiden anderen hinterher.

Hyundai Ioniq 5 – der Schnelllader

Ein ganz anderer Typ ist der ebenfalls nicht adaptiv gedämpfte Ioniq 5, dessen Fokus mehr auf Komfort, Platzangebot und Ladeerlebnis liegt. Ohne dass man sich unsicher fühlte, wogt der im Vergleich mit deutlich unter zwei Tonnen leichte Koreaner mehr, bewegt sich die weichere Karosserie stärker in der Vertikalen.

Auch die gefühlsarme Lenkung unterstreicht das distanziertere Handling, wobei man schon Spaß haben kann im einmotorigen Ioniq 5. Denn auch hier sind Synchronmaschine und Antriebswellen an der Hinterachse montiert, dreht das Heck kurvenausgangs unter Last leicht mit. Doch Obacht, wenn es nass ist. Das Fahrpedal spricht zackig an, und die plötzlich über die Hinterräder herfallenden 350 Nm Drehmoment können einen kalt erwischen. Und das, obwohl die E-Maschine unseres Testwagens nur 160 kW mobilisiert. Käufer des aktualisierten Modells können sich nun über 168 kW freuen.

Hyundai Ioniq 5 2022 Foto: Hans-Dieter Seufert
Hyundai setzt auf eine Mischung aus Touchscreen und konventionellem Bildschirm.

Wer’s ruhiger angeht, kann aber völlig entspannt mit dem Hyundai cruisen und sich im variablen Innenraum vor Platz nach allen Seiten und Ablagemöglichkeiten kaum retten.

Praktisch ist der Lautstärkedrehknopf nebst Direktwahltasten für Navigation oder Radio. Dafür wurde allerdings bei der Sprachbedienung gespart, denn die vir­tuelle Assistentin versteht bloß ganz bestimmte Formulierungen, sodass man die gewünschte Einstellung doch schnell über den Touchscreen eintippt.

Download Daten, Ladekurven, Betriebskosten: Hyundai Ioniq 5, Polestar 2 und VW ID.5 (PDF, 1,82 MByte) Kostenlos

Auf Strecken, die mehr als eine Akkuladung erfordern, muss man die Ladestationen im Ioniq übrigens selbst suchen. Das nervt, zumal es mit Polestar und VW Hersteller gibt, die einem das abnehmen. Allerdings arbeite man an einer Lösung, sagt Hyundai. Nicht mehr warten muss man auf die aus dem Kia EV6 bekannte, etwas größere 77,4-kWh-Batterie samt Möglichkeit der Vorkonditionierung. Sie hat den 72,6 kWh großen Speicher abgelöst. Abgesehen vom 170 PS starken Einstiegsmodell wird sie in allen Ioniq 5 verbaut. Aktuelle Wartezeit: acht Monate.

Hyundai Ioniq 5 Fahrbericht
Hochspannung im Fuhrpark