40 Jahre VW Golf Cabriolet Von wegen glattgeföhnt

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Als Henkelmann ist er gestartet, bügelfrei lief er 2018 aus: Der offene Golf ist der Klassiker unter den Cabrios.

Zugegeben, nicht allzu viele Fahrer von Firmenwagen dürften sich einen Golf als Cabrio bestellt haben. Trotzdem ist firmenauto das Jubiliäum des Klassikers einen Artikel wert. "Sonne, Mond und Cabrio", lautete der Werbeslogan, mit dem Volkswagen vor 40 Jahren die offene Variante des Golf I präsentierte. Sicher durch den charakteristischen Bügel und billig dank Großserienbasis wurde das Golf Cabriolet ein Sensationserfolg. Übertraf der kompakte Viersitzer doch sogar die Verkaufszahlen seines Faltdach-Vorgängers, des VW Käfer, für den Sonne und Mond damals gerade untergegangen war.

Nun war der Golf neuer Sonnenkönig und mit rund 800.000 Einheiten in vier Generationen avancierte er zum meistgebauten offenen Viersitzer aller Zeiten. Klar, dass fast alle Volumenhersteller an diesem Frischlufthype in der Kompaktklasse partizipieren wollten und so initiierte der als Erdbeerkörbchen belächelte Golf mehr als 20 Henkel-Konkurrenten von Ford Escort über Opel Kadett bis hin zu Fiat Ritmo und Peugeot 205.

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2011 folgte der Enkel ohne Henkel: Bei der vierten Generation verzichtete VW auf einen Bügel.



Während die meisten Wolfsburger Wettbewerber später kurzlebigen Moden frönten wie der Idee des Coupé-Cabriolets blieb sich der Golf selbst treu. Wie ein Original trug er stolz das Textildach als Markensignet, verlor 2011 lediglich den typischen Überrollbügel und versteckte das beim Öffnen zum Berg aufgetürmte Verdeck - ein vom VW Käfer tradiertes Kennzeichen. Bügelfrei ähnelte das Golf Cabriolet letzter Generation der gefällig gezeichneten, geschlossenen Version dieses ewigen Bestsellers, vor allem bot der Open-Air-Klassiker nun keine Angriffsflächen für Kritiker. Trotzdem verspürte die Frischluft-Gemeinde weniger Lust auf das weichgespülte Offenfahr-Auto und so schickte Wolfsburg den einst populärsten Luftikus 2016 ins Museum. Frische Trends setzen soll stattdessen künftig der VW T-Roc, dies als erstes vielleicht erfolgreiches Cabrio im SUV-Segment.

Tatsächlich sind kompakte Cabriolets immer wieder kurzzeitig top und ebenso plötzlich passé, wie die Geschichte der kleinen Frischluftstars zeigt. Ein Schicksal, das sie mit anderen Modetrends teilen. Schließlich nutzen nicht wenige Käufer Cabriolets als Accessoire zur Differenzierung von der Masse, so wie die ins Haar geklemmte teure Marken-Sonnenbrille, das offen zur Schau gestellte Tattoo oder das gerade angesagte Smartphone. Verloren geht die Faszination des Besonderen dann, wenn das zunächst kostspielige Smartphone zum Grabbeltisch durchgereicht wird oder Cabriolets auf Discounterparkplätzen ähnlich verbreitet sind wie funktionale Familienkutschen.

Genau diese Entwicklung widerfuhr auch dem Golf Cabriolet nachdem es die bezahlbaren offenen Viersitzer zum globalen Trend gemacht hatte. Deshalb legte der bis dahin in drei Generationen gefertigte Dolce-Vita-Golf schon 2002 eine erste Denkpause ein. Damals übernahmen gerade Sonnenstudios mit Metall-Klappdach die Deutungshoheit darüber, wie der bezahlbare Luxus eines familientauglichen Cabriolets auszusehen hat.

Als diese Coupé-Cabriolets den Zenit der Popularität überschritten hatten, meldete sich der Golf im Jahr 2011 mit Stoffmütze zurück, jetzt aber ohne charakteristischen Henkel. So sehr das Golf-Revival die Fans von Frischluft und wärmender Sonne freute, ließ es alle Lifestylesüchtigen kalt – waren doch dafür längst SUV die angesagten automobilen Accessoires. So verabschiedete sich die vierte und vorerst letzte Auflage des bei Karmann in Osnabrück gebauten Golf Cabriolets 2016 in aller Stille. Endgültig fiel der Vorhang für offene Volkswagen jedoch noch nicht, denn kommendes Jahr soll der kleine SUV T-Roc für viel Furore sorgen.

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2016 stellte VW das Golf Cabriolet ein.



Schließlich stehen Cabriolets auch für eine unendliche Geschichte automobiler Fahrfreude, die im 19. Jahrhundert mit den ersten Patentmotorwagen von Benz und Daimler begann und im Nachkriegsdeutschland vor allem vom VW Käfer mit Klappverdeck fortgeschrieben wurde. Brachte doch das bei Karmann gefertigte familienfreundliche Kompaktcabrio so viel bezahlbaren luftigen Lifestyle in die Autowelt, dass sich der Sonnenkäfer auf Platz eins unter den populärsten offenen Viersitzern positionierte. Lange Zeit konnte sich niemand ein Ende der Karriere des offenen Käfers vorstellen, aber 1975 zeigten sich Schatten an der Wand. Die VW 1303 Limousine lief aus und nun war das 1303 Cabrio neben dem exklusiven Rolls-Royce Corniche der letzte Sonnensegler mit Fondsitzen. Das Cabrio schien in den freudlosen 1970ern tot, trotzdem entstand beim Open-Air-Spezialisten Karmann ein offener VW Golf als Prototyp, so wie der Käfer bügelfrei.

Zum Serienstart ging es dann aber doch nicht ohne den stilprägenden festen Bügel an der B-Säule. Notwendig war der optisch aufdringliche Überschlagschutz übrigens weniger wegen angeblicher neuer Sicherheitsgesetze in Nordamerika, sondern vor allem als preiswerte Stabilitätsmaßnahme gegen Verwindungserscheinungen der ihres Blechdachs beraubten Karosserien. Zum Erfolgsgeheimnis des von Neidern als Henkelmann verspotteten Volkswagens gehörten natürlich auch die unproblematischen Alltagseigenschaften der Golf-Limousine, die robuste, langlebige Technik und winterbeständige, hochwertige Stoffverdecke. Qualitäten, mit denen der offene Golf in die großen Fußabdrücke des Käfer Cabriolets trat, das im Januar 1980 auslief.

Die neue Generation Frischluft konnte aber noch mehr, zum Beispiel rasantes Tempo dank des 110 PS starken Benzineinspritzer aus dem sportlichen Golf GTI. Damit ausgerüstet war das Golf GLI Cabriolet beim Standardsprint auf Tempo 100 fast ebenso flott wie Sportwagen vom Kaliber eines Porsche 924. Richtig in Schwung kam der Absatz des Golf mit dem bis dahin nur vom Baur-BMW und Triumph Stag bekannten Bügel trotzdem mit Verzögerung. Erst eine neue Falttechnik für das nun zehn Zentimeter flachere und weniger monströse Verdeck, dazu automobile Hauptrollen in Blogbuster-TV-Serien wie der "Schwarzwaldklinik" sowie dauerhaft erschwingliche Preise ließen die Bestelleingänge für den windigen Gesellen auf Sturmstärke anwachsen. Tatsächlich genügten sanfte Modellpflegen und Sondermodelle mit sommerlich-klangvollen Namen wie Acapulco, Bel Air oder Toscana, um das Cabrio im kaum veränderten Kleid bis 1993 begehrenswert zu halten. Da hatte die Limousine bereits zwei Modellwechsel überstanden und Nachahmer-Cabriolets von Konkurrenten wie Ford, Opel und Peugeot hatten ebenfalls schon die Mode gewechselt.

Den Golf kümmerte das nicht. Er zeigte sich erst auf der IAA 1993 im Dress des Golf III und war damals bereits erfolgreichster offener Viersitzer der Welt. Erstmals ließen sich jetzt die hinteren Seitenscheiben voll versenken und ein sparsamer, aber laut nagelnder Diesel lieferte eine bei Cabrios ungewohnte akustische Kulisse. Kleine kosmetische Eingriffe genügten, um 1998 aus dem Golf III Cabriolet das Golf IV zu formen, dessen letzte Exemplare 2001 in Osnabrück gebaut wurden.

Weiter ging es erst 2011, nun mit einem Cabriolet auf der sechsten Golf-Generation und das mit nur im Ernstfall automatisch ausfahrendem Überschlagschutz. Trotz spektakulärer Highlights wie dem 250 km/h schnellen Golf R war die Mode nach nur fünf Jahren über den Luftikus hinweggegangen.

Chronik Volkswagen Golf Cabriolet:

1976: Am 7. Dezember präsentiert Karmann den ersten Golf Cabrio Prototypen in Wolfsburg

1979: Im März Weltpremiere des Golf Cabriolets auf dem Genfer Salon. Markteinführung im Juni mit 1,5-Liter-Benziner (70 PS) und 1,6-Liter-Benziner (110 PS). Preise Volkswagen Golf Cabrio ab 17.389 Mark. Produktion bei Karmann in Osnabrück

1980: Am 10. Januar läuft das letzte Käfer Cabriolet bei Karmann in Osnabrück vom Band. Insgesamt wurden 330.281 Cabriolets produziert

1982: Im Juli ersetzt ein 1,8-Liter-Benziner mit 112 PS Leistung das 110-PS-Triebwerk

1983: Im August wird der Golf II eingeführt, das Golf Cabriolet wird jedoch unverändert weiter produziert

1985: Einführung eines 1,8-Liter-Benziners mit geregeltem Dreiwege-Katalysator und 95 PS, optional mit Servolenkung bestellbar

1986: Im Juli zum Modelljahr 1987 eine große Produktaufwertung mit neuer Ausstattungslinie Quartett mit breiten Stoßfängern und Sportsitzen, modifiziertes Motorenprogramm, darunter ein 1,6-Liter-Benziner mit 72 PS und ungeregeltem Katalysator

1989: Golf Cabrio ab August nur noch mit 1,8-Liter-Katalysator-Motor und 98 PS lieferbar. Optische Modifikationen mit breiten Seitenschwellern, neuen Stoßfängern und anderem Grill. Viele Sondermodelle hielten das Golf Cabrio frisch, darunter Quartett, Bel Air, Young Line, Fashion Line, Classic Line, Toscana, Sportline, Acapulco, Genesis und Etienne Aigner

1992: Fahrerairbag optional bestellbar, nur noch ein 1,8-Liter-Motor lieferbar. Produktionseinstellung des Golf Cabrio im Dezember nach 389.000 Einheiten. Der Abverkauf läuft bis ins Folgejahr

1993: Auf der IAA in Frankfurt feiert die zweite Generation des Golf Cabriolet als Golf III Cabrio Weltpremiere. Diverse Sondermodelle wie Pink Floyd, Rolling Stones, Bon Jovi, Joker, Highline, Classic Edition

1995: Ab Februar mit 1,9-Liter-Turbodiesel mit 90 PS Leistung lieferbar. Die Kombination Cabriolet und Diesel ist damals noch eine Besonderheit auf dem Cabriolet-Markt

1996: Ab November mit 1,9-Liter-Turbodiesel mit 110 PS Leistung lieferbar. Außerdem sind optional Seitenairbags erhältlich

1998: Eine Faceliftversion des zweiten Golf Cabriolets erscheint mit Golf-IV-Designmerkmalen und wird als Golf IV Cabriolet gefeiert

2000: Ab Juli stehen nur noch der 2,0-Liter-Benziner und der Turbodiesel im Angebot

2001: Einstellung des Golf Cabriolet in Osnabrück, letzte Exemplare werden 2002 verkauft

2003: Im Frühjahr geht das New Beetle Cabriolet in Mexiko in Produktion. Das Cabrio erinnert gezielt an das VW Käfer Cabriolet, zum Beispiel durch das auf der Karosserie aufliegende Verdeck

2005: Karmann zeigt auf der IAA Frankfurt ein SUC-Concept Car, den Vorläufer heutiger SUV-Cabrios. Eine Serienfertigung des Karmann SUC kann aber noch nicht realisiert werden

2011: Auf dem Genfer Salon im März Debüt eines neuen Golf Cabriolets (vierte Cabriolet-Generation) auf Basis des Golf VI

2014: Das Golf Cabrio erzielt in Deutschland rund 7.600 Neuzulassungen und ist damit in der markeninternen Konkurrenz Nummer eins vor dem Beetle Cabrio mit 6.900 Zulassungen und vor dem VW Eos mit 2.100 Eintragungen im KBA-Register

2015: Der Cabriomarkt in Deutschland schrumpft insgesamt. Erfolgreichstes Cabrio in Deutschland ist in diesem Jahr der VW Beetle mit 8.705 Neuzulassungen, gefolgt vom VW Golf mit 7.757 Einheiten und dem BMW 2er Cabrio mit 6.602 Fahrzeugen

2016: Produktionsauslauf für das Golf Cabriolet VI. Auf dem Genfer Salon kündet das Konzeptfahrzeug VW T-Cross Breeze vom Beginn einer neuen Cabrio-Ära, die 2020 beginnen soll

2018: Volkswagen kündet den Importstopp des Beetle Cabriolet an und damit das Ende des vorläufig letzten offenen VW in Deutschland

2019: Das Jubiläum "40 Jahre Volkswagen Golf Cabriolet" feiern VW und die Community mit zahlreichen Events. Auch auf der Techno Classica Essen wird der offene Golf im April entsprechend gewürdigt

Ausgewählte Produktionszahlen:

Gesamtproduktion 770.039 Volkswagen Golf Cabriolet (1979-2016, vier Generationen), davon

388.522 VW Golf Cabriolet, erste Generation (ab 1979)

139.578 VW Golf Cabriolet, zweite Generation (ab 1993)

82.588 VW Golf Cabriolet, dritte Generation (ab 1998)

Zum Vergleich: 330.959 VW Käfer Cabriolet (ab 1949, inkl. Hebmüller und Rometsch-Cabrios)

Wichtige Motorisierungen VW Golf Cabriolet:

Volkswagen Golf Cabriolet Gen. 1 (1979-1992) mit 1,5-Liter-Vierzylinder-Benziner (70 PS) bzw. 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner (75 PS bzw. 110 PS) bzw. 1,8-Liter-Vierzylinder-Benziner (90 PS bzw. 95 PS bzw. 98 PS bzw. 112 PS)

Volkswagen Golf Cabriolet Gen. 2 (1993-1998) mit 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner (100 PS) bzw. 1,8-Liter-Vierzylinder-Benziner (75 PS bzw. 90 PS) bzw. 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner (115 PS) bzw. 1,9-Liter-Vierzylinder-Diesel (90 PS bzw. 110 PS)

Volkswagen Golf Cabriolet Gen. 3 (1998-2002) mit 1,6-Liter-Vierzylinder-Benziner bis 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner (75 PS bis 115 PS) bzw. 1,9-Liter-Vierzylinder-Diesel (90 PS bis 110 PS);

Volkswagen Golf Cabriolet Gen. 4 (2011-2016) mit 1,2-Liter-Vierzylinder-Benziner bis 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner (105 PS bis 265 PS) bzw. 1,6-Liter-Vierzylinder-Diesel (105 PS) bis 2,0-Liter-Vierzylinder-Diesel (110 PS bis 150 PS).

Preisbeispiele Volkswagen Golf Cabriolet (alle Preise brutto)

Cabrio-Generation 1 (Basis Golf 1):

Volkswagen Golf Cabriolet 70 PS (1979) ab 17.389 Mark

Volkswagen Golf Cabriolet 70 PS (1983) ab 20.905 Mark

Volkswagen Golf Cabriolet 110 PS (1983) ab 24.610 Mark

Volkswagen Golf Cabriolet 75 PS (1988) ab 25.780 Mark

Volkswagen Golf Cabriolet 110 PS (1988) ab 29.880 Mark

Cabrio-Generation 2 (Basis Golf 3):

Volkswagen Golf Cabriolet 98 PS (1993) ab 37.150 Mark

Volkswagen Golf Cabriolet 75 PS (1997) ab 34.950 Mark

Volkswagen Golf Cabriolet 90 PS (1997) ab 36.500 Mark

Volkswagen Golf Cabriolet TDI 90 PS (1997) ab 38.600 Mark

Cabrio-Generation 3 (Basis Golf 3/4):

Volkswagen Golf Cabriolet 75 PS (2000) ab 37.200 Mark

Volkswagen Golf Cabriolet 90 PS (2000) ab 40.050 Mark

Volkswagen Golf Cabriolet TDI 90 PS (2000) ab 42.600 Mark

Cabrio-Generation 4 (Basis Golf VI):

Volkswagen Golf Cabriolet 1.2 TSI 105 PS (2012) ab 23.900 Euro

Volkswagen Golf Cabriolet 1.4 TSI 160 PS (2012) ab 26.400 Euro

Volkswagen Golf Cabriolet 2.0 GTI 210 PS (2012) ab 31.725 Euro

Volkswagen Golf Cabriolet 2.0 TDI 140 PS (2012) ab 28.450 Euro

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