E-Transporter VN5 von LEVC Geelys nächster Streich

 LEVC VN5 2021 Foto: LEVC 11 Bilder

LEVC kennt man bisher nur für das elektrische London-Taxi. Doch 2021 will das zum chinesischen Geely-Konzern gehörende Unternehmen den europäischen Transporter-Markt mit einem elektrischen Lieferwagen aufrollen.

Eines muss man Li Shu Fu lassen. Der Vorstandsvorsitzende des chinesischen Automobilkonzerns Geely hat ein Gespür für profitable Geschäfte. 2010 kaufte er Ford für nur 1,7 Milliarden US-Dollar Volvo ab und machte die Schweden wieder zu globalen Player. 2015 übernahm er Polestar und schuf daraus eine trendige E-Auto-Marke.

Auch die traditionelle London Taxi Company gehört seit 2013 zum Geely-Konzern und baut seit 2017 unter dem Namen LEVC ausschließlich elektrisch angetriebene Cabs. Hier hatte Li ebenfalls den richtigen Riecher, denn in London dürfen nur noch E-Taxis neu zugelassen werden. Rund 4.000 Stück laufen pro Jahr am Stammsitz des Unternehmens in Coventry nahe Birmingham derzeit vom Band.

Der TX5 wird von einem 150 PS starken E-Motor samt 31 kWh-Batterie angetrieben, ein Dreizylinder-Benziner liefert als Range Extender bei Bedarf den nötigen Strom. Einige der dem klassischen Londoner Taxi nachempfundenen E-Cabs werden sogar exportiert. Doch die moderne Fabrik in Coventry ist für bis zu 20.000 Fahrzeugen pro Jahr ausgelegt. "Uns war von Anfang an klar, dass wir auch einen Van entwickeln müssen", sagt Alan Clark. "Der Markt fordert das." Der technische Leiter von LECV verweist auf die wachsende Zahl von Umweltzonen in Ballungsgebieten, die nur E-Autos kostenlos befahren dürfen. In der Londoner City beispielsweise fallen selbst für Euro-6-Transporter und -Pkw umgerechnet 13,50 Euro pro Tag an, zusätzlich zur City-Maut in Höhe von rund 17 Euro.

 LEVC VN5 2021 Foto: LEVC
Unter der Motorhaube sitzt der Range Extender, ein 76 kW starker Dreizylinder von Volvo mit 1,5 Litern Hubraum. Er lädt die Batterie während der Fahrt mit 60 kW.

Die Eckdaten für den E-Transporter seien schnell klar gewesen, sagt Clark. Sauberer E-Antrieb mit Schnelllademöglichkeit, 100 Kilometer elektrische und mindestens 400 Kilometer Gesamtreichweite. Dazu Platz für zwei Europaletten, eine tiefgaragentaugliche Höhe unter zwei Metern sowie genügend Nutzlast und Ladevolumen, um dem steigenden Transportbedarf in Zeiten des boomenden Online-Handels gerecht zu werden. Denn Experten schätzen, dass sich die Zulassungen in der Eintonnenklasse in den nächsten zehn Jahren verdoppeln, der Anteil an E-Modellen sogar versechsfacht.

Plattform und Antrieb übernimmt der Van vom E-Taxi. Warum aber die teure Lösung mit Range Extender? "Viele Lager befinden sich außerhalb der Stadt, in London beispielsweise am Flughafen Heathrow", erklärt Marketingchef James Drake-Lee. "Der VN5 kann den Benziner auf der Autobahn mitlaufen lassen und in der Stadt rein elektrisch fahren." Ein Londoner Spediteur schaffe so sechs Touren in die Stadt und zurück, während bei anderen E-Transporter bereits nach ein bis drei Touren die Batterie den Geist aufgäbe.

Im Frühjahr 2021 soll der VN5 genannte Eintonner in den wichtigsten europäischen Märkten eingeführt werden. Ein Verkaufsbüro in Frankfurt steht, die ersten Händler aus dem Volvo-Netz sind gefunden und geschult. Rund 50.000 Euro kostet der auf einer Aluminium-Karosserie aufbauende VN5 in Großbritannien, die europäischen Preise werden sich in ähnlichem Rahmen bewegen. Kein Schnäppchen, aber im Rahmen des Üblichen. Der Abt e-Transporter 6.1 auf VW-Basis ist etwas günstiger, kommt aber nur gut 100 Kilometer weit. Und der Ford Transit Custom, das einzige andere Modell mit Range Extender, aber schwächeren Fahrleistungen, ist auch nicht unter 47.000 Euro zu bekommen.

Größter Vorteil des VN5 ist die Möglichkeit, seine Akkus an einem 50-kW-Lader in nur 30 Minuten voll zu laden – über Chademo oder CCS. Dies gibt Unternehmern mit der passenden Ladeinfrastruktur im Alltag mehr Flexibilität und kann bei entsprechenden Stromtarifen die Betriebskosten kräftig senken. Theoretisch könnte ein Kurierdienst den Transporter also fast rund um die Uhr fahren lassen. Lange Wartungsintervalle von 40.000 Kilometern sowie fünf Jahre Garantie aufs Fahrzeug und acht Jahre auf die Batterie sollen die TCO ebenfalls drücken.

"Außerdem war uns bei der Entwicklung ein sicherer und komfortabler Arbeitsplatz ebenso wichtig wie die Alltagstauglichkeit", sagt Clark. Als Mitglied der großen Geely-Familie hatten es die Briten in diesem Punkt einfach, konnten sich aus dem Regal für die Pkw-Modelle von Volvo bedienen. Lenkrad, Schalter und der große Touchscreen stammen ebenso von den Schweden wie der komfortable, elektrisch verstellbare Fahrersitz mit ausziehbarer Sitzfläche. Auch die Assistenten, darunter Verkehrszeichenerkennung oder Kollisionswarner mit Bremseingriff kommen von Volvo. Ebenso Klimaautomatik, DAB-Radio, Navigation. Ein wegen der sehr kleinen Rückspiegel wünschenswerter Totwinkelwarner fehlt dagegen.

 LEVC VN5 2021 Foto: LEVC
Zwei Einzelsitze und eine gute Sicherheits- und Komfortausstattung sind Standard.

So fährt sich der 5,23 Meter lange VN5 erstaunlich komfortabel. Man sitzt fast wie im Pkw und findet sich auf Anhieb zurecht. Über den Touchscreen wählt der Fahrer einen der drei Fahrmodi E-Save, Automatik oder Elektro. Am Automatikhebel stellt er ein, ob der Van rekuperieren oder frei rollen soll. Zusätzlich bietet LEVC ein Telematikmodul an. Damit lassen sich Regionen definieren, in denen das Auto automatisch in den Elektromodus umschaltet.

Besonders auffällig ist die Ruhe in der Kabine. Läuft der Verbrenner mit, ist nur ein leises Surren aus dem Motorraum zu hören. Mit 150 PS ist der VN5 sehr ordentlich motorisiert, kommt selbst voll beladen zügig von der Ampel weg und lässt sich entspannt mit 130 oder 140 km/h auf der Autobahn fahren. In engen Straßen oder Werkshöfen profitiert der Wagen von seinem extrem kleinen Wendekreis. Gerade mal 10,1 Meter Platz braucht er, gut 1,5 Meter weniger als ein Standard-Pkw.

Über 500 Millionen Britische Pfund investierte Geely in die EV-Fabrik in Coventry. In nur drei Jahre hat sich LEVC innerhalb des chinesischen Konzerns zum Kompetenzzentrum für Leichtbau und Range-Extender-Technik hochgearbeitet. Die Chancen stehen gut, dass sich mit Hilfe des VN5 auch diese Investition für Li Shu Fu auszahlt. Man darf gespannt sein, wo der Investor demnächst zuschlägt.

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