Fuhrparkreport BVG Poolauto statt Firmenwagen

Foto: Annette Hornischer

Ein Pool von Elektroautos statt zugeordneter ­Firmenwagen: Anfangs passte das nicht allen Kollegen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). Mittlerweile läuft’s und die E-Flotte bewährt sich.

"Nimm dem Deutschen das Auto, und Du bist Staatsfeind Nummer eins." Heinrich Coenen spricht aus Erfahrung: Als der Fuhrparkmanager in seinem Unternehmen, den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG), das Projekt Smart e-Fleets umsetzte, klatschten nicht alle Mitarbeiter begeistert Beifall. Denn die BVG planten einen drastischen Schnitt: Statt Dienstwagen für Positionen oder Abteilungen sollte es nur noch einen Pool für alle geben. Schlimmer noch: Coenens Plan sah vor, dass auch fremde Unternehmen auf den Pool Zugriff bekommen. "Einigen Kollegen tut so etwas weh." Und dann sollte Fuhrpark auch noch auf Elektroautos umgestellt werden. In der Folge bildete die BVG einen Pool an Dienstwagen, zu dem zwei kommunale Betriebe der Hauptstadt, die Berliner Stadtreinigung und die Wasserbetriebe, Zugang erhielten.

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Die BVG, größter ÖPNV-Betreiber Deutschlands, hat insgesamt etwa 450 große und kleine Firmenwagen, die zu Montagefahrten an den zahlreichen Standorten, aber auch für Meetings und externe Geschäftstätigkeiten genutzt werden. "Wir wollten einen Weg aufzeigen, wie wir die Kilometerkosten auf eine möglichst geringe Zahl von Fahrzeugen verteilen können." Bisher nutzen bis zu 300 Personen den Dienstwagen-Pool.

Portrait von Heinrich Coenen Foto: Oliver Lang
"Nimm dem Deutschen das Auto, und Du bist Staatsfeind Nummer eins." Heinrich Coenen, Fuhrparkmanager der BVG

Genauere Datenlage für bessere Auslastung

Die hatten Bedenken: "Keiner wird sich um den Zustand der Autos scheren«, oder »dann gibt es zu wenig Fahrzeuge«. Oder: »Wir werden ständig mit leeren Akkus liegenbleiben«. Nichts davon ist während der zwei Jahren der Umstellung wahr geworden. »Tatsächlich konnten wir die Zahl der Poolfahrzeuge um 20 Prozent reduzieren."

Mehrkosten oder Extra-Aufwand? Fehlanzeige. Von den 120 Autos des Pools sind noch 20 mit Verbrenner unterwegs. Zum Jahreswechsel 2022/23 soll die Projekt-Flotte ausschließlich elektrisch fahren. 2024 sollen 50 Prozent der heute noch 450 Autos zählenden Flotte elektrifiziert sein, 2028 dann alle.

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Parallel zur Umstellung des Fuhrparks wurde zusammen mit Softwarepartner Carano ein Buchungsportal für E-Fahrzeuge erarbeitet. Über einen elektronischen Schlüsselkasten lassen sich sämtliche Fahrzeuge mit Ladestand und Buchungsstatus abfragen. Onboard-Units in jedem Auto melden auch den aktuellen Kilometerstand. Wer ein Fahrzeug braucht, bucht sich über eine App ein, nennt Datum und Route beziehungsweise Distanz. Das System disponiert zur Verfügung stehende Fahrzeuge anhand des Ladestands. Wird die Fahrt mit kritischem Akku-Füllgrad beendet, wird ein Platz an einer der für den Pool in Berlin verteilten zwölf Schnelladern gebucht.

Zwölf genügen, versichert Coenen. "Anfangs hatten wir Ladekarten für öffentliche Ladesäulen an Bord, aber die dienten mehr zur Beruhigung der Fahrer." Tatsächlich war es bisher nicht notwendig, einen BVG-Dienstwagen extern zu laden. Mit dem BVG-Fuhrpark sind die vorhandenen Ladekapazitäten nicht einmal ausgelastet: Oft können die Mitarbeiter sogar ihre privaten Elektroautos anschließen. Unentgeltlich, als Incentive. Schließlich muss das bis 2030 nicht als geldwerter Vorteil versteuert werden.

Fuhrpark BVG 2022 Foto: Annette Hornischer
Statt Dienstwagen für Positionen oder Abteilungen sollte es nur noch einen Pool für alle geben.

Der entscheidende Hebel fürs Flottenmanagement war die digitale Steuerung des Fuhrparks. Durch die On-Board-Units regnet es permanent Daten, ein kostenloser Nebeneffekt der Umstellung. "Jetzt muss man nur noch die richtigen Fragen stellen." So stellte Coenen fest, dass die Flotte zwischen 7 und 10 Uhr sowie von 12 bis 14 Uhr am höchsten ausgelastet ist.

Aktuell testet seine Abteilung, ob der Energiebedarf reduziert werden kann, indem die Akkus nur bis 80 Prozent geladen werden. Und in Zukunft will das Fuhrparkmanagement auch die Qualität der Akkus auslesen und dokumentieren. Demnächst soll über Sensoren an den Dienstwagen-Parkplätze Abfahrt und Ankunft der Autos dokumentiert werden. Das hilft, die Zeit der Nutzung noch genauer einzugrenzen und den Pool eventuell weiter zu verkleinern.

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Dieses breite verfügbare Wissen hat nicht nur das Projekt beflügelt, sondern Coenen auch kleine Siege bei der Überzeugungsarbeit beschert. Etwa, wenn die Praxistauglichkeit eines E-Autos ob seiner langen Ladezeit angezweifelt wird. Dann schaut Coenen die Daten an und beweist das Gegenteil. Heraus kam auch, dass Elektroautos ihren höheren Kaufpreis schnell durch 50 Prozent niedrigere Betriebskosten, geringeren Wertverlust und 30 Prozent niedrigere Werkstattkosten einspielen.

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Auch in Zukunft: Die BVG will das System weiteren Berliner Landesbetrieben öffnen. Als Rückfallebene könnten die Fahrzeugpools aller Kooperationspartner dienen. Doch bisher ist ein Notfall, also eine komplette Auslastung des BVG-Pools, nicht eingetreten.