Reparaturkosten Kleiner Rempler, teure Folgen

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Radarsysteme hinterm Stoßfänger, Kamera in der Windschutzscheibe, Totwinkelwarner im Spiegel: Moderne Autos stecken voller Assistenten. Sie machen Firmenwagen sicherer, aber auch teurer. Vor allem die bei Unfällen anfallenden Folgekosten werden von Flottenmanagern häufig unterschätzt.

Die Zeiten, in denen man als Extra für den Geschäftswagen lediglich ein Radio mit CD-Player, einen Aschenbecher oder ein Schiebedach ordern konnte, sind lange vorbei.

Heute sind die Preislisten schier endlos lang. Dahinter verbergen sich auch handfeste Profit­interessen der Hersteller, haben sie doch eine deutlich höhere Gewinnmarge bei der Zusatzausstattung als beim Autobau selbst. Hinzu kommt erstaunliche Kreativität im Hinblick auf die mehr oder weniger sinnvolle Kombination von Ausstattungsdetails, die zu Paketen geschnürt werden und beim Kunden oftmals zusätzliche Verwirrung stiften.

Fakt ist: Im modernen Firmenwagen haben neben Komfortfeatures in den vergangenen Jahren vor allem Fahrerassistenten einen wahren Boom erlebt. Schließlich erhöhen sie die aktive und passive Sicherheit, und Unternehmen ordern viele Systeme standardmäßig. Ein Firmenwagen ohne Spurhalter? Kaum vorstellbar. Und wahrscheinlich auch schlecht zu vermarkten. "Generell ist die Ausstattung für den Restwert von sehr hoher Bedeutung", sagt Maarten Baljet vom Marktbeobachter Bähr & Fess Analytics. Manche Ausstattungen können aber auch anfällig sein oder hohe Reparaturkosten nach sich ziehen. Das könnte sich negativ auf den Verkaufspreis des Autos auswirken. Meist dürften die Vorteile beim Verkauf aber überwiegen, vor allem bei jungen Fahrzeugen.

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Dass die Assistenzsysteme zusätzliche Sicherheit und Komfort bringen, ist unbestritten. Auf der anderen Seite ließen sie die Reparaturpreise in den vergangenen Jahren in die Höhe schnellen. Schon kleine Parkrempler und Auffahrunfälle können immense Reparaturkosten nach sich ziehen, wenn Sensoren im Stoßfänger ausgetauscht werden müssen. Auch ein Steinschlagschaden in der beheizbaren Windschutzscheibe kostet deutlich mehr als bei einer Scheibe ohne Heizfäden. Erst recht, wenn hinter der Säule auch noch die für die Verkehrszeichenerkennung oder den Spurhalter nötige Kamera sitzt.

Sind die Innovationen also Segen oder Fluch – oder beides zugleich? Welchen Einfluss Assistenzsysteme auf Reparaturfreundlichkeit und Kosten haben, weiß die Innovation Group Fleet & Mobility in Stuttgart. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt im Management von Kfz-Reparaturen für Versicherungskunden und der Bearbeitung von Kfz-Schäden für Flotten. Auch die europaweit agierende Tec Alliance sammelt, verarbeitet und bereitet Daten und Informationen etwa über Serviceintervalle sowie Arbeitszeiten für Wartungen und Instandhaltungen auf.

In Gesprächen mit Experten beider Unternehmen wird schnell deutlich: Die elektronischen Helfer dienen der Sicherheit und dem Komfort und haben somit einen hohen Nutzen. Allerdings treiben sie die Folgekosten für Reparaturen und Instandhaltung in die Höhe, und die Reparaturkosten unterscheiden sich von Modell zu Modell durchaus.

Die Innovation Group wertete die Reparatur von fast 3.500 Park- und Rangierunfällen mit beschädigten Stoßfängern aus. Heraus kam: Beim Audi A6 kostet die Reparatur im Schnitt 1.587 Euro, beim 3er-BMW sogar gut 100 Euro mehr. Etwas preisgünstiger liegen die Kosten bei Opel Astra (1.415 Euro) oder VW Golf (1.386 Euro).

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Eine andere Untersuchung der Innovation Group zeigt, wie sich Ersatzteilpreise von 2015 bis 2020 entwickelten. Die Front-Stoßfänger des Audi A6 mit Einparkhilfe und Scheinwerferreinigung wurden in diesem Zeitraum um 102 Euro und damit 26,2 Prozent teurer. Der Preis für einen Stoßfänger der BMW-3er-Reihe stieg um 12,6 Prozent, der des VW Golf VI um 15,4 Prozent. Die Unterschiede liegen auch daran, dass in heutigen Fahrzeugen Sensoren und vieles mehr in den Stoßfängern verbaut sind. Diese müssen bei einer Reparatur/Lackierung entweder ersetzt oder, sofern sie noch intakt sind, neu justiert beziehungsweise kalibriert werden.

Auch zu den vermeintlich banalen Folgen eines Steinschlags haben die Experten der Innovation Group erschreckende Zahlen parat. Denn bei Schäden im Blickfeld des Fahrers muss die Scheibe erneuert werden – und das kann wegen der mittlerweile häufig eingebauten Sensoren und Kameras kosten.

Ersatzteile werden immer teurer

2011 verbaute beispielsweise BMW im 1er eine Windschutzscheibe ohne weitere Zusatzelemente. Kostenpunkt inklusive Einbau: 540 Euro. Die gleiche Scheibe mit Licht- und Regensensor sowie Grünkeil kostete bereits 81 Euro mehr. Für die BMW-1er-Reihe ab Baujahr 2019 liegen die Preise für eine Windschutzscheibe inklusive Licht-/Regensensor, Kamerasystemen und Head-up-Display bei 976 Euro. Sie kostet also 436 Euro mehr als die einfache Scheibe des Vorgängers.

Noch teurer wird es bei LED- oder gar Matrix-LED-Scheinwerfern, denn die lassen sich in der Regel nicht reparieren. Bei einem Defekt muss das Modul komplett getauscht werden. Zwar sind LED-Lichter haltbarer als Halogenbirnen. Fallen aber einzelne LEDs aus, gilt das beispielsweise bei der Hauptuntersuchung als erheblicher Mangel, und ein Austausch ist unumgänglich. Bei dem in vielen Modellen immer noch üblichen Halogenlicht lässt sich eine defekte Lampe dagegen einfach austauschen. Die Preise der Lichtsysteme unterscheiden sich beträchtlich. So kostet der Halogenscheinwerfer eines 3er-BMW 420 Euro, das LED-Licht aber 550 Euro mehr.

Foto: Innovation Group

Doch nicht nur aufwendige Technik treibt die Reparaturkosten. Seit 2015 steigen die Preise für Ersatzteile kräftig, wie ein weiterer Blick in die Datenbank der Innovation Group zeigt. 2015 kostete der Halogen-Scheinwerfer des BMW 3er knapp 240 Euro. 2020 verlangt der Händler dafür 423 Euro, 75 Prozent mehr. Auch der Bi-Xenon/LED-Hauptscheinwerfer des 3er wurde im gleichen Zeitraum 74,5 Prozent teurer und kostet nun 977 anstatt 560 Euro.

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Eine Auswertung von Tec Alliance zeigt ein ähnliches Bild. Sie betrachtet die Preise der Hauptscheinwerfer für Ford Mondeo, Mercedes C-Klasse und Audi A4 und beziffert den Preis der Standardscheinwerfer des Audi A4 mit knapp 600 Euro. Leuchtet der A4 mit LED-Lampen die Straße aus, muss der Halter bei einem Unfall für den Scheinwerfer 1.615 Euro bezahlen, also gut 1.000 Euro mehr. Pro Stück, wohlgemerkt. Noch teurer wird’s mit Matrix-LED-Hauptscheinwerfern. Die stehen mit 2.290 Euro in der Teileliste.

Sollten Flottenmanager also deshalb auf die Sicherheitstechnik verzichten? Natürlich nicht, zumal die Assistenten nicht nur die Sicherheit und den Komfort erhöhen, sondern auch den Restwert des Autos steigern. Doch wenn die Versicherung wegen der teureren Reparaturkosten eine schlechte Schadenquote vorrechnet, wird’s Zeit, sich intensiver ums Risk-Management zu kümmern und auch die Mitarbeiter für die Kosten zu sensibilisieren.

Fragen an den Profi

Wie steht’s um Reparaturfreundlichkeit und -kosten von ­modernen Geschäftswagen? Fragen an Markus Stumpp, ­Geschäftsführer der Innovation Group Fleet & Mobility.

Herr Stumpp, welche Assistenten schätzen Sie als besonders sinnvoll ein, auch im Hinblick auf die Reparaturfreundlichkeit?

Generell sind alle Assistenten nutzbringend, die Unfälle vermeiden oder die Unfallfolgen verringern. Gleichzeitig können radar- und kameragestützte Systeme nur dann zuverlässig arbeiten, wenn sie korrekt verbaut und kalibriert sind. Die Anforderungen an technische Ausstattung und Fähigkeiten einer Werkstatt steigen also. Diese Investitionen führen auch zu steigenden Preisen und der Wahrnehmung einer schlechteren Reparaturfreundlichkeit.

In den letzten Jahren hat sich die Technik rasant weiterentwickelt. Wirkt sich das auf Reparaturdauer und -kosten aus?

Assistenzsysteme haben sich in relativ kurzer Zeit am deutlichsten weiterentwickelt. Das führt auch zu Mehrkosten bei der Instandsetzung. Zudem limitieren einige Hersteller die Reparatur an manchen Bau­teilen, in denen Sensoren verbaut sind. Folglich werden mehr Teile getauscht. Das führt zu Abhängigkeiten bei der Verfügbarkeit von Ersatzteilen. Ein Beispiel sind Windschutzscheiben. Bei denen geht es inzwischen nicht mehr nur um Glas, sondern um komplexe Systeme mit Kameras und Sensoren. Über einen Zeitraum von zehn Jahren sind die Kosten um bis zu 80 Prozent gestiegen. Gleichzeitig steigt auch die Bedeutung der richtigen Werkstattwahl, um Standzeiten zu verkürzen und die Kosten im Griff zu behalten.

Welche Fahrzeugteile hatten die höchste Teuerungsrate?

Viele Sensoren sind in den Stoßfängern verbaut, dem nach wie vor meistverkauften Ersatzteil. Wie schon erwähnt, verbieten manche Hersteller die Reparatur. Sie argumentieren dahingehend, dass Sensoren unerwartet reagieren können, wenn die Lackdicke vom Originalzustand abweicht. Deshalb muss der gesamte Stoßfänger getauscht werden, was natürlich teurer ist.